Verfuehrung
zu bringen. Die Contessa wird für ein paar Tage aus ihren Kreisen verbannt. Sie dagegen können von Glück sprechen, wenn die herzoglichen Jagdhunde von Ihnen noch etwas übrig lassen, was man hinterher begraben kann.«
Calori bewunderte seine Ruhe. Sie verstand nur zu gut, warum er sie zur Geliebten des Herzogs gemacht hatte, aber welches Risiko ging er ein, für sie ein? Er konnte dem Meuchelmörder nicht gewachsen sein, wenn es hart auf hart ging.
Der Meuchler zögerte, riss die Schnur, mit der die Vorhänge zugezogen wurden, ab, wickelte sich die Enden um seine Hände, straffte sie, um sie so einem Gegner um den Hals schlingen und zuziehen zu können, und ging langsam auf die Tür zu.
»Ich kann Sie auch noch erledigen, venezianischer Laffe. Sie kommen nicht weit. Sie erzählen keine Geschichten mehr.«
Was konnte sie tun? Es kostete Calori viel, aber sie blieb so lange still, bis er von ihr weggetreten war und auf Casanova zuging, der immer noch schräg, in der halb geöffneten Tür stand. Dann stieß sie einen einzigen Ton aus, aus dem Zwerchfell, wie man es sie über Jahre gelehrt hatte, stieß mit ihrer ganzen Kraft das hohe, reine C aus, das angeblich Gläser zum Zerspringen brachte, wenn man als Sänger nur gut genug war.
Auf die Gläser und Spiegel im Raum achtete jedoch keiner der drei Anwesenden. Aber der Ton kam so überraschend und war schmerzhaft für die Ohren des Schlägers, wie Calori es sich erhofft hatte. Unwillkürlich hob er beide Hände, um sie gegen seine Ohren zu pressen, und stürzte kopflos auf die Tür zu. Casanova wich gerade noch rechtzeitig zur Seite aus, hob etwas, was bisher allen Blicken verborgen gewesen war, und schlug dem fallenden Mann damit auf den Hinterkopf. Der ging zu Boden, schneller noch als der zerbrochene Glasleuchter, mit dem Giacomo zugeschlagen hatte, und blieb regungslos liegen.
»Muranoglas ist auch nicht mehr so stabil, wie es sein sollte«, murmelte er vor sich hin, »oder warst du das, mit deiner Stimme?« Sie blickten sich an. Atem und Herz gingen noch so schnell, dass es eine Weile dauerte, bis sie aufeinander zugingen und sich in die Arme schlossen.
Sie spürte Giacomos Arme um sich und das überwältigende Wunder, am Leben zu sein.
Epilog
W enn die Theater Venedigs, in denen Giacomo aufgewachsen war, in der Ausstattung ihrer Zuschauerräume kleinen Schmuckkästchen glichen, dann war das Teatro San Carlo eine aus tausend kleinen Schmuckkästen bestehende Feste. Die Logen, alle durch Kerzen erleuchtet und mit Goldbemalung ausgestattet, schienen kein Ende zu nehmen. Das Deckengemälde zeigte in Azurtönen Apollon und die Musen und war größer als die Fresken der meisten Kathedralen.
Wie bei allen Theatern wurde auf den Gängen und im großen Saal hinter dem Zuschauerraum vor und während der Vorstellung gespielt, doch diesmal hatte Giacomo keine Gelegenheit und keinen Wunsch, die Spieltische zu besuchen. Er saß weder in einer Loge, noch drängte er sich durch das Parkett, um zu versuchen, mit Gewalt noch einen Platz zu ergattern, was manch ein Zuschauer tat, nein, er befand sich im Orchester.
Nachdem der mordlustige Diener der Contessa von den Leuten des Herzogs abtransportiert, für die bedauernswerte Zofe ein Priester geholt worden war, der ihr aber nicht mehr helfen konnte, war Giacomo bei Calori geblieben. In dieser Nacht war ohnehin nicht mehr an Schlaf zu denken, und sowohl wechselseitige Entschuldigungen als auch das Gefühl, haarscharf dem Tod entronnen zu sein, ließen sie einander mit einer Innigkeit wie in ihrer ersten Nacht lieben.
Aber sie wussten beide, dass diese Versöhnung gleichzeitig auch ein neuer Abschied war. Er hatte immer noch nicht vor, an ihrer Seite zu bleiben, und sie wollte weniger denn je darauf verzichten, die Welt durch ihren Gesang zu erobern.
»Die Contessa wird es wieder versuchen«, sagte er zu Calori. »Nicht sofort. Nicht hier. Morde an Leuten, die nicht zum Adel gehören, wird man ihr verzeihen, aber gescheiterte Mordanschläge und Szenen wie gestern beim Empfang sind einfach nur peinlich. Nach diesem Fiasko wird sie so schnell wie möglich abreisen und keinen Gedanken daran verschwenden, was aus ihrem Meuchler wird. Nur auf längere Zeit gesehen bist du nicht sicher.«
»Auch du nicht«, erwiderte sie und hielt ihn noch etwas fester. »Nicht bei dem Leben, das wir uns gewählt haben. Aber ich glaube, es gibt einen Weg, wie wir uns zumindest um die Contessa keine Sorgen mehr machen müssen.«
Sie
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