Verfuehrung auf Capri
besser ginge.
Als Tomaso am folgenden Tag nach Hause gebracht wurde, eilte Laura ihm entgegen. Wieder tat ihr der Anblick des zerbrechlich wirkenden alten Mannes fast weh. Doch als er sie sah, begannen seine Augen zu leuchten.
„Du bist nicht abgereist.“
Laura schüttelte nur den Kopf, denn ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Nein“, brachte sie knapp heraus. „Wie … wie geht es dir?“
Er lächelte leicht. „Schon viel besser, seit ich dich hier gesehen habe.“
Auch Laura lächelte – ein wenig unsicher. Sie sah zu, wie er die breite Marmortreppe hinaufgetragen wurde.
Am nächsten Tag ließ er nach ihr rufen. Tomaso lag in einem riesigen Zimmer mit einem Himmelbett und aufwendig verzierten Antiquitäten. Laura fand den Stil ein wenig übertrieben, doch es schien genau sein Geschmack zu sein, und ein merkwürdiges Gefühl liebevoller Nachsicht erfüllte sie. Tomaso sah, wie sie sich umblickte und leicht lächelte.
„Dir ist das ein wenig zu viel, stimmt’s?“, fragte er.
„Es ist genau das Gegenteil von dem, was mein Großvater …“ Sie unterbrach sich befangen und fuhr fort: „Was mein anderer Großvater mochte. Er hatte einen eher spartanischen Geschmack und war der Ansicht, nur Ausländer würden üppig ausgestattete Räume mögen.“
Tomaso lächelte. „Ich bin ja auch Ausländer, also muss es wohl daran liegen.“ Er klopfte leicht neben sich auf das große Bett, und Laura nahm Platz. „In meiner Kindheit waren wir sehr arm und lebten in einem trostlosen Hochhaus in einem düsteren Vorort von Turin. Unsere Möbel waren billig und zweckdienlich. Ich habe mir immer geschworen, dass ich irgendwann auch die schönen Dinge im Leben besitzen würde.“
Als er sich im Zimmer umsah, merkte Laura ihm an, wie zufrieden und stolz ihn das alles machte. „Du hast also wirklich bei null angefangen?“, fragte sie. „Ja, ich hatte lediglich gute Nerven und Zuversicht“, bestätigte Tomaso.
Er sah besser aus, weniger blass und war auch nicht mehr an unzählige Geräte angeschlossen, sondern nur noch an ein tragbares EKG-Gerät.
„Ich war fest entschlossen, viel Geld zu verdienen. Und das habe ich ja auch getan.“ „Mein Großvater, der andere …“ Diesmal fiel es Laura schon einfacher, das auszusprechen. „Mein anderer Großvater hat nie über Geld geredet.“
„Das tun nur die Leute, die schon reich zur Welt kommen“, stellte Tomaso scharfsinnig fest. „So war Alessandros Vater auch – für ihn war Gewinn oder Verlust nie von Bedeutung.“
„Warum ist er dann Geschäftsmann geworden?“
„Ganz einfach, weil er pleite war“, antwortete Tomaso unverblümt. „Also hat er sofort zugestimmt, als ich ihm anbot, mein Partner zu werden. Auch für mich war er sehr nützlich. Denn dank all seiner Kontakte, besonders denen im Bank- und Finanzwesen, öffneten sich Türen, die mir bislang verschlossen gewesen waren. Doch für die Geschäfte an sich hat er sich nie so interessiert wie ich. Alessandro allerdings …“ Tomasos Tonfall änderte sich plötzlich. „Der ist ganz anders.“
„Er scheint ununterbrochen zu arbeiten“, stellte Laura fest. „Ständig beschäftigt er sich mit irgendwelchen Papieren oder seinem Laptop.“
„Er will meinen Job übernehmen – und das Unternehmen gleich mit“, erklärte Tomaso. „Alessandro ist das absolute Gegenteil von seinem Vater. Er hat gemerkt, dass dieser im Unternehmen eigentlich nur geringen Einfluss hatte und auch gar nichts anderes anstrebte. Darüber hat Alessandro sich immer geärgert. Sein Vater hatte gar kein Interesse daran, das Unternehmen zu leiten – genau wie Stefano.“
Plötzlich trat ein trauriger Ausdruck in Tomasos Augen, und auch Laura fühlte sich unwohl.
Tomaso hob die Hand, als wolle er einen dunklen Schatten vertreiben. „Wäre Stefano nicht gestorben, hätte Alessandro mit ihm einen Deal ausgehandelt, ihn ausbezahlt und das Unternehmen übernommen. Dann hätte Stefano sich ganz seinen geliebten Rennbooten widmen können. Und auf diesen Deal hätte er sich auch eingelassen, da mache ich mir keine Illusionen. Aber ob ich selbst zugestimmt hätte …?“ Er schüttelte den Kopf. „Vielleicht schon. Denn was hätte nach meinem Tod sonst aus dem Unternehmen werden sollen? Wenn Stefano allerdings geheiratet hätte …“ Er verstummte.
Laura spürte seinen Blick auf sich ruhen. Plötzlich wirkte Tomaso weder zerbrechlich noch krank und noch nicht einmal alt.
„Du solltest dich nicht in mir täuschen, mein Kind.
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