Verfuehrung auf Capri
erfüllt hat.“
„Ja, Stefano tat immer nur das, was ihm gefiel.“
Als Alessandro Lauras Gesicht betrachtete, wirkte dies nicht nur abweisend und mürrisch, sondern auch verletzt. Schnell dachte er an etwas anderes. Er brauchte wirklich kein Mitgefühl für Laura Stowe zu empfinden.
Im Krankenhaus angekommen, gab er ihr sehr knappe Anweisungen. „Wenn Sie irgendetwas sagen, das Tomaso aufregt, werden Sie es bereuen, das schwöre ich.“
Laura wandte den Blick ab. Ihr letzter Besuch in einem Krankenhaus hatte ihrem anderen Großvater gegolten, der noch am selben Tag an Herzversagen gestorben war – wenige Monate nach dem Tod ihrer Großmutter.
Sie musste schlucken, als sie Alessandro auf die Intensivstation folgte, wo der alte Mann allein lag, angeschlossen an unzählige Schläuche und Drähte. Er wirkte so schwach und zerbrechlich, genau wie ihr Großvater.
Aber er ist ja auch mein Großvater, dachte sie unwillkürlich. Doch ebenso schnell, wie der Gedanke gekommen war, verdrängte sie ihn auch wieder.
Tomaso wandte ihr den Kopf zu. „Laura …“, seine Stimme war ein kaum hörbares Krächzen, und er streckte ihr mit sichtbarer Anstrengung die Hand entgegen. „Du bist noch da …“
In seinen Augen spiegelte sich etwas, mit dem Laura nicht gerechnet hatte: Dankbarkeit. Sie ging zum Bett, ohne jedoch seine Hand zu nehmen. Tomaso ließ sie wieder auf die Decke sinken, und das Leuchten seiner Augen schien zu verblassen. Laura bekam ein schlechtes Gewissen, doch sie wollte ihn nicht berühren.
„Wie … wie geht es dir?“ Sie überwand sich, ihn zu duzen.
„Viel besser, jetzt, da du hier bist. Vielen Dank, dass du nicht abgereist bist und mir ermöglichst …“ Er atmete mühsam ein. „Möchtest du dich nicht setzen?“
Als Laura auf dem Bettrand Platz nahm, blickte Tomaso an ihr vorbei zu Alessandro, der im Türrahmen stehen geblieben war.
„Ich bleibe hier“, sagte dieser entschieden. „Ich will nicht, dass sie noch einmal etwas sagt, das dich aufregt.“
„Ich bin überzeugt, dass nichts Derartiges passieren wird“, erwiderte Tomaso. „Danke, dass du Laura hergebracht hat, aber jetzt …“
Widerstrebend ging Alessandro hinaus und wartete auf dem Flur.
Tomaso sah Laura an, die sich vor Anspannung auf die Lippe biss.
„Laura, mein Kind. Ich muss dir etwas sagen. Und wenn du dann noch immer nach England zurückkehren möchtest, dann hast du meinen Segen“, setzte er ein wenig wehmütig an und zögerte einen Moment, als müsste er Kraft sammeln.
Am liebsten wäre sie sofort aus dem Krankenhaus gerannt und zum Flughafen geeilt, um endlich nach Wharton zurückzukehren und sich dort einzuschließen. Doch irgendetwas hielt sie zurück.
Sie spürte Tomasos eindringlichen Blick, als habe er Angst vor ihrer Reaktion. Dann begann er leise zu sprechen, wobei er den Blick nicht von ihr wandte.
„Während der Tage hier im Krankenhaus hatte ich ausreichend Gelegenheit, nachzudenken und mich zu erinnern. Dabei habe ich auch an Stefano gedacht, als er in deinem Alter war und noch jünger.“ Er atmete tief ein und fuhr fort: „Leider habe ich nicht viele Erinnerungen an ihn als Kind. Ich … ich habe nur wenig Zeit mit ihm verbracht, weil ich zu sehr mit Geldverdienen beschäftigt war. Stefanos Erziehung habe ich vor allem seiner Mutter überlassen, die ihn abgöttisch liebte.“ Sein Blick verschleierte sich. „Leider hatte ich auch für sie zu wenig Zeit. Also hat sie ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit Stefano geschenkt.“
Tomaso schwieg einen Moment. Ob er seine Kraft sammelte oder an seinen toten Sohn dachte, konnte Laura nicht sagen. Ihre eigene Anspannung hatte noch zugenommen. Und sie wünschte, er hätte Stefano nicht als kleinen, vom Vater vernachlässigten Jungen beschrieben. Er hat meine Mutter nur benutzt, rief sie sich trotzig in Erinnerung.
Als Tomaso weitersprach, klang seine Stimme plötzlich anders. „Jeder Vater möchte stolz auf seinen Sohn sein. Aber wie kann ich das, wenn Stefano die Mutter seines Kindes verführt und dann fallen gelassen hat? Er hat einfach so getan, als gäbe es sie nicht – und dich auch nicht.“ In seinen Augen spiegelten sich Reue und Schmerz.
„Es war wirklich dumm und unsensibel von mir, anzunehmen, dass du die Familie deines Vaters würdest kennenlernen wollen“, sagte er leise und voller Schmerz. „Du bist mit dem Wissen darüber aufgewachsen, was er dir und deiner Mutter angetan hat. Natürlich kannst du das nicht einfach vergeben und
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