Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
Fliegen.
Die Reisekutsche schlingerte, geriet in eine Spurrille und holperte wieder heraus. Máelodor biss gegen das beständige Schaukeln und Schwanken die Zähne zusammen. Jedes Schlagloch erinnerte ihn nur wieder an seine nachlassende Kraft, an die Opfer, die er auf sich genommen hatte, um einen Domnuathi hervorzubringen und ihn an die Sache zu binden, und daran, wie sehr es an seinen Kräften zehrte, seine eigenwillige Kreatur wieder ausfindig zu machen.
Und er würde noch mehr Kraft aufwenden müssen, um den Willen des aufsässigen Domnuathi zu brechen. Wie Lazarus es geschafft hatte, sich aus seiner Knechtschaft zu befreien, war Máelodor völlig unverständlich. Doch es würde nicht noch einmal passieren. Dafür würde er sorgen.
Insgesamt gesehen hatte er jedoch keinen Grund, unzufrieden zu sein. Ob gewollt oder ungewollt, war die Wahrheit durch Lazarus ans Licht gekommen. Brendan Douglas befand sich in Glenlorgan. Die Jagd näherte sich ihrem Ende.
Es lagen höchstens noch ein paar Meilen vor ihm, bis er dem Mann ins Gesicht sehen konnte, der die Neun einschließlich seines eigenen Vaters verraten hatte, um seine jämmerliche Haut zu retten.
Haut, die Máelodor ihm bei lebendigem Leibe Zentimeter um Zentimeter abzuziehen gedachte. Der Gedanke an die unvorstellbaren Qualen des Verräters durchflutete ihn mit freudiger Erregung.
Ungeduldig klopfte er ans Kutschendach und befahl seinem Fahrer, das Tempo zu beschleunigen.
Zum Teufel mit seinen Knochen, er musste zu einem Wiedersehen!
Sabrina hatte Brendans Hand versorgt, so gut sie konnte, obwohl die Knochen dermaßen zerstört gewesen waren, dass sie sogar für sie kaum noch zu richten gewesen waren. Sie hatte auch seine aufgeplatzte Lippe und den tiefen Schnitt über seinen Rippen gereinigt. Brendans Oberkörper wies die gleichen furchtbaren Prellungen auf wie sein Gesicht, als hätte St. John ihn sich mit einem Knüppel vorgenommen.
»Nur mit den Fäusten«, erklärte Brendan, der bei jeder Berührung mit dem feuchten Tuch zusammenzuckte. »Aber es waren ein paar Möbelstücke im Weg, und einmal erwischten mich Sporen. Das ist der Schnitt über den Rippen.«
Während die Stunden sich hinschleppten, wurde Brendans Gesicht immer grauer, seine Wangen hingegen waren unnatürlich rot und glühten vor Hitze. Und trotz Sabrinas Bemühungen, das Fieber zu senken, das ihn schüttelte, verlor sein Verstand immer mehr an Klarheit. Er dämmerte vor sich hin, murmelte hin und wieder etwas Unverständliches oder war so erschreckend still, dass kaum ein Atemwölkchen in der kühlen Luft aufstieg. Sabrina hatte an die Tür gehämmert, um Hilfe gerufen und geschrien, jemand solle eine Decke oder wenigstens eine Kerze bringen, um die permanente Düsternis ein wenig zu erhellen.
Beim ersten Mal erhielt sie zur Antwort nur einen Fluch und den barschen Befehl, den Mund zu halten.
Beim zweiten Mal wurde die Tür einen Spalt geöffnet, und ein finster aussehender bärtiger Mann schob einen Teller mit Essen und einen Krug mit saurem Bier hindurch.
Brendan raffte sich auf, um den verbrannten Fisch zu probieren und sich ein Stück Brot abzubrechen. »Außer dem Bärtigen sind mindestens noch zwei andere Kerle da, die doppelt so skrupellos wie er und dreimal so schnell mit ihren Fäusten sind.«
»Aber mit deinen magischen Kräften … ich meine, du warst doch immer …«
»Magie kann keine Kugel aufhalten oder dich vor einem Messer schützen«, schnaubte er. »Und als Amhas-draoi verfügt St. John über weitaus größere Macht als ich. Das erste Mal, als ich zu entkommen versuchte …« Mit mutlosem Gesichtsausdruck schlang er die Hände um die Knie. »Sagen wir einfach, es endete sehr schlecht. Beim zweiten Mal …« Er biss die Zähne zusammen und wandte den Blick ab. »Die Hand war noch das geringste Übel. Gegen St. Johns magische Energie und die brutale Kraft seiner Schläger habe ich keine Chance. Außerdem kann ich dich nicht allein lassen und bin zu schwach, um uns beide zu beschützen. Falls du also gehofft hast, ich würde den Helden spielen, bin ich dafür völlig ungeeignet, fürchte ich.«
Sein spöttischer Tonfall konnte nicht über seine zunehmende Angst hinwegtäuschen. Sabrina empfand sie als zusätzliche Belastung, und ihr sank der Mut nur noch mehr. Es gehörte nicht mehr viel dazu, Brendan auch noch den letzten Schneid abzukaufen, und das Warten machte es für beide noch viel schlimmer. Jedes Geräusch ließ sie zusammenfahren, jeder Schrei
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