Verführung der Schatten
das Schlimmste durchzustehen, was Cade je zu tun hatte …
Als Cadeon in die Hütte zurückkehrte, legte er sich hinter Holly und hüllte sie mit seinem warmen, nackten Körper ein.
Er zog sie eng an sich, wie er es immer tat. Draußen heulte der Wind aus der Arktis und peitschte über das Blockhaus hinweg, aber sie fühlte sich sicher, beschützt von ihrem großen Dämon.
Sie konnte sich nicht vorstellen, jemals wieder eine Nacht ohne ihn zu verbringen. Bevor sie einschlief, war ihr letzter Gedanke: Ich habe mich in Cadeon Woede verliebt .
41
Sie machten sich frühmorgens auf den Weg und sprachen in den ersten Stunden ihrer mühsamen Fahrt Richtung Norden kaum.
„Was ist los?“, fragte Cade sie schließlich. „Du bist so still.“ Er fragte sich, ob sie wohl Verdacht geschöpft hatte. Sie war ihm gegenüber früher schon misstrauisch gewesen. Doch sein Gefühl sagte ihm, dass sie sich mit Herz und Seele auf ihn eingelassen und beschlossen hatte, ihm vollkommen zu vertrauen.
Was die ganze Sache umso niederschmetternder für sie machen würde.
„Ich bin nur traurig, dass wir fortmüssen“, sagte sie. „Vielleicht können wir uns auf dem Nachhauseweg ja noch einmal eine Woche hier verkriechen? Du könntest mir das Eisfischen beibringen.“
Er sah sie nicht an, als er antwortete. „Ja, das machen wir vielleicht. Hat Nïx dir eigentlich gesagt, wie du sie im Notfall erreichen kannst?“
„Nein, wieso?“
„Ich hätte nichts gegen einen kleinen Ratschlag der alten Besserwisserin einzuwenden.“ Er hatte das Gefühl, sein Bauch wäre voller schwerer Steine, während er sich fragte, ob er wohl das Richtige tat. Gab es überhaupt eine richtige Entscheidung? Egal was er machte, er würde immer jemanden im Stich lassen, der sich auf ihn verließ. Es fühlte sich falsch an, Holly zu hintergehen und zu verletzen, aber er konnte auch nicht die Freiheit seines Bruders aufs Spiel setzen oder die Bedürfnisse eines ganzen Königreichs ignorieren.
Er sah Hollys enttäuschten Gesichtsausdruck schon vor sich, wenn sie von seinem Verrat erfuhr. Ob er überhaupt fähig war, die Fassade der Gleichgültigkeit aufrechtzuerhalten, nachdem er sie doch mehr begehrte als alles andere im Leben?
Zunächst waren sie noch einer Art Straße gefolgt, doch inzwischen war der Weg nicht mehr als eine primitive Piste und das Gelände wurde immer bergiger. Alle paar Meilen musste Cade aussteigen, um einen Baumstamm aus dem Weg zu räumen.
Er hatte diesen letzten Abschnitt ihrer Reise so lange hinausgezögert, dass schon das kleinste Missgeschick seinen Plan zunichtemachen konnte. Ein Teil von ihm wünschte sich, dass sie die Frist versäumen würden, hoffte auf irgendetwas, das ihn davon abhalten würde, Holly an Groot auszuliefern, das ihm die ganze Angelegenheit aus der Hand nehmen würde, damit es – so oder so – nicht länger seine Entscheidung war.
Doch dann fiel Cade wieder sein Bruder ein, und seine Schuldgefühle überwältigten ihn von Neuem.
Holly wurde munter. Nachdem sie sich stundenlang mühsam mit Allradantrieb immer tiefer in die Berge vorgearbeitet hatten, wurde der Weg endlich wieder besser.
Als er dann irgendwann sogar einer Straße ähnelte, öffnete sich der dichte Kiefernwald und gab den Blick auf ein kleines Tal frei.
Es war erst kurz vor zwei, was bedeutete, dass die Sonne noch nicht untergegangen war, darum waren sie in der Lage, die spektakuläre Aussicht zu genießen. Ein reißender Fluss schlängelte sich durch das Tal. Über ihnen lag eine Schicht wild durcheinanderwirbelnden Nebels, als ob über allem eine Decke aus hauchzarten Spinnweben hinge.
Cadeon beugte sich nach vorne. „Hier sollte eigentlich alles kahl und öde aussehen, und der Fluss müsste gefroren sein.“
Stattdessen besaßen Birken und Espen immer noch ihr Laub, und es war nicht eine einzige Schneeflocke zu sehen.
„Vielleicht hat das Tal sein eigenes Mikroklima? Ich habe mal gelesen, dass heiße Quellen ihre Umgebung schnee- und eisfrei halten können.“
„Ja, daran wird’s wohl liegen“, sagte er, aber er hörte ihr gar nicht richtig zu.
Sie folgten der Straße, die parallel zum Fluss verlief.
„Sieh mal, eine kleine Stadt“, sagte Holly. Dann runzelte sie die Stirn. „Eine Geister stadt.“ Und diesen Begriff nahm sie inzwischen nicht mehr leichtfertig in den Mund.
„Das ist ein altes Bergarbeiterdorf. Früher wurde hier Kohle abgebaut, ich hab vorhin den Eingang zum Schacht gesehen. Groot muss sich hier
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