Verführung der Schatten
immer näher an die Festung heranfuhren. Er schaltete die Scheibenwischer ein, als der Nebel, der vom Wasserfall ausging, so dicht wie Regen wurde. Schließlich ließen sie auch ihn unter sich zurück.
Die Sonne war am Horizont verschwunden, und der Mond begann aufzugehen, als sie einen Begrenzungszaun erreichten. Metallene Zacken waren nach außen gerichtet, wie bei einem altmodischen Bollwerk, doch Cade konnte sehen, dass sie mit Zahnrädern verbunden waren. Er vermutete, dass sie sich im Falle eines Angriffs bewegen würden.
Das Vordertor ragte hoch vor ihnen auf und wirkte extrem kompliziert. Ein Teil ließ sich auf einer Schiene zur Seite rollen, und ein anderer konnte hochgezogen und heruntergelassen werden. Als der Truck genau vor dem Tor stehen blieb, bewegten sich die beiden Komponenten gerade weit genug auseinander, dass er hindurchfahren konnte, um sich wenige Zentimeter hinter seiner Stoßstange wieder zu schließen.
Sie waren drin. Nur noch ein paar Minuten, bis es losgeht.
„Die Wendigos haben keine Chance an diesem Tor vorbeizukommen. Du kannst dich jetzt wieder entspannen“, sagte er, während er innerlich zusammenzuckte.
Dieser Abschnitt ihrer Fahrt schien Cade endlos zu sein. Seine Hände auf dem Lenkrad waren schweißnass, und er wäre am liebsten umgekehrt.
Aber das tat er nicht, sondern er parkte stattdessen vor zwei riesigen Eingangstüren aus Eisen, die ein paar Stockwerke hoch zu sein schienen und zu beiden Seiten von brennenden Fackeln in Mannsgröße beschienen wurden.
Als Cade sich seinen Schwertgurt schnappte, um ihn sich über die Schulter zu schnallen, hob sie die Augenbrauen. „Nur für den Fall, dass wir vielleicht überstürzt abreisen müssen.“
Der Krach vom Wasserfall war ohrenbetäubend, als sie aus dem Truck stiegen. Die gigantischen Türen öffneten sich augenblicklich unter lautem Dröhnen vor ihnen, als ob sie einen eigenen Willen hätten.
„Bist du bereit?“, fragte er mit lauter Stimme, um den Krach zu übertönen.
„Ich bin bereit, dem Ganzen endlich ein Ende zu setzen!“
Als Holly und er den leeren Hof betraten, fanden sie niemanden vor, der sie in Empfang genommen hätte. Die Türen schlossen sich gleich wieder hinter ihnen, während sich eine weitere Tür auf der anderen Seite des Burghofs auftat. Sie hatten keine andere Wahl, als dem einzigen Weg zu folgen, der sie immer tiefer ins Herz der Festung führte. Ihre Schritte auf dem Steinfußboden hallten laut von den Wänden wider.
So sehr der Dämon Groot auch verabscheute, der Krieger in Cade war gegen seinen Willen von der Konstruktion der Burg tief beeindruckt. Die Anlage war ein Meisterstück auf dem Gebiet defensiver Baukunst.
Es gab fünf Burghöfe in Gestalt eines X, die sämtlich durch enge Gänge mit dem größten Turm in der Mitte verbunden waren. Nur einer dieser Höfe lag an Land, die anderen vier waren entweder auf künstlichen Pfeilern oder auf natürlichen Felsflächen im Wasser errichtet worden.
Im Falle eines Angriffs konnte Groot einfach den Gang zerstören, der vom Land aus zu den anderen Türmen über dem Wasser führte, und wäre unerreichbar.
Selbst wenn ein Feind den Entschluss fasste, sich über das Wasser zu nähern, wären zwei der Türme unangreifbar, da sie direkt über dem Rand des Wasserfalls lagen. Die reißende Strömung ließ keinerlei Annäherung zu.
Auch ein Luftangriff würde nicht funktionieren. Aus der Schmiede stieg derart dicker Rauch auf, dass die Festung von oben vollkommen uneinsehbar war.
Als sie die gegenüberliegende Tür passierten, gelangten sie auf einen Weg, der über das Wasser zur Schmiede führte. Cade warf einen Blick über die Steinbalustrade. Unter ihnen stürzte das schlammige Wasser über einhundert Meter in die Tiefe, wobei es mächtige Strudel und Wirbel und Unmengen hochsprühenden Schaum bildete. Der Lärm war so gewaltig, dass er schon hätte schreien müssen, um gehört zu werden.
Die Schmiede im Hauptturm besaß große, offen stehende Tore, ähnlich denen einer Lagerhalle. Überall lagen die Werkzeuge eines Schmieds herum: Schmiedezangen, Greifzangen und ein Amboss, so groß wie ein Auto. In der riesigen Esse loderte ein gewaltiges Feuer. Gleich dahinter befand sich eine mit Zinnen bewehrte Brüstungsmauer.
Sie betraten jetzt eine lang gezogene, spärlich erleuchtete Halle innerhalb des Hauptturms. Überall entlang den Wänden sah er weiß leuchtende Augen, wie kleine, von einem milchigen Film überzogene Stiftlampen. Es roch nach
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