Verführung der Schatten
Freund, aber du bist auf dich allein gestellt. Du musst deine Frau zu Groot bringen, um dieses Schwert zu bekommen. Dir bleibt keine Wahl.“
Und ob mir eine Wahl bleibt. Scheiß auf meine edle Herkunft. Scheiß auf Selbstlosigkeit. Das ist nicht mein Leben. Er würde ihm den Rücken zukehren, so wie schon früher. Ich werde mit ihr durchbrennen.
Cade würde einen anderen Weg finden, um Rydstrom aus Sabines Gefangenschaft zu befreien. Und dann würde sein Bruder endlich lernen müssen, ohne seine Krone zu leben.
„Ich sag ja nicht, dass du ihm Holly tatsächlich überlassen sollst“, meinte Rök.
„Wenn ich sie auch nur in Groots Nähe bringe, setze ich ihr Leben aufs Spiel. Ich kann sie einfach nicht dieser Gefahr aussetzen. Ich werde …“
„Hör mal, ich wollte dir das eigentlich gar nicht sagen, aber es steht weitaus mehr auf dem Spiel, als du denkst. Die Nachricht von Rydstroms Verschwinden und deiner Suche hat sich verbreitet. Die Dämonen in eurem Königreich erwarten Resultate. Cade, sie sind bereit, erneut in den Krieg zu ziehen.“
„Was meinst du damit?“ Ihr Volk war so grausam behandelt worden, dass ihnen der Mut und die Kraft für Revolutionen immer gefehlt hatte.
„Wenn du dir dieses Schwert verschaffen kannst, werden sie es als Zeichen dafür werten, dass eine Revolte möglich ist. Das Schwert ist inzwischen zum Symbol geworden, einem Symbol der Hoffnung und neuer Zuversicht. Sie wollen sehen, dass selbst wenn die eine Hälfte der Woede-Brüder außer Gefecht gesetzt ist, die andere Hälfte auch allein mit allem fertig wird.“
Als ob nicht schon genug Druck auf mir lastet …
„Und ich muss dir noch was sagen. Es werden inzwischen jede Menge Wetten darüber abgeschlossen, ob das schwarze Schaf es schafft oder nicht. Also, hier wäre mein Vorschlag: Du wirst Groot davon überzeugen müssen, dass du nur gekommen bist, um deine Ware abzuliefern, die Bezahlung dafür zu kassieren und dass du danach sofort wieder abhauen willst, sonst wird er dir das Schwert mit Gewissheit nicht überlassen. Also, überzeuge ihn und schlag ihn dann mit seiner eigenen Waffe.“
„Hast du eine Ahnung, was bei diesem Plan alles schiefgehen kann?“
„Na gut, sagen wir mal, er wird misstrauisch und lässt dich von seinen Wachen hinausbegleiten“, sagte Rök. „Du bist jetzt in der Lage, jederzeit den Dämonenzustand zu erreichen, um deine Frau zu beschützen. In diesem Zustand könntest du es mit einer ganzen Armee aufnehmen. Und dann schaffst du es auch, sie da rauszuholen.“
Ich tu so, als ob ich nur meinen Teil der Abmachung erfülle, hol mir das Schwert, töte Groot – das klingt so einfach. „Und wenn auch nur die kleinste Kleinigkeit danebengeht, muss Holly dafür bezahlen.“ Cade fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Würdest du so was tun, wenn du in meiner Lage wärst?“
„Das kannst du mich nicht fragen. Ich kapier ja gar nicht, was du für sie empfindest, dass du auch nur einen Gedanken daran verschwendest, ihretwegen ein ganzes Königreich zu riskieren. Geschweige denn das Leben deines Bruders.“
Cade war dazu geboren, sie zu beschützen, und dennoch zog er es jetzt in Erwägung, sie einem Risiko auszusetzen. Was er vorhatte, war der ultimative Verrat.
Um Groot davon zu überzeugen, dass dies nur eine geschäftliche Transaktion unter vielen war, würde Cade sich wie ein gewissenloser Söldner aufführen müssen. Einer, der eine naive junge Frau übers Ohr gehauen hatte. Was in vielerlei Hinsicht ja auch der Wahrheit entsprach.
„Seit eurem Exil bist du nicht mehr in Rothkalina gewesen, aber ich schon“, fügte Rök hinzu. „Es sieht dort nicht gut aus. Viele Leute zählen auf dich.“
Cade schluckte. Jetzt endlich, nach all diesen Jahren, habe ich die Gelegenheit, für meine Taten zu büßen, endlich etwas wiedergutzumachen.
„Auch Rydstrom zählt auf dich. In diesem Augenblick betet dein Bruder irgendwo dafür, dass du Erfolg hast. Auch wenn er sicher ist, dass du es nicht schaffen wirst.“
Ungewollt stieg eine Erinnerung in Cades Gedanken hoch, an eine Nacht vor langer Zeit, eine Nacht des Kummers und der Schuld, in der er nie gekannte Schmerzen ertragen musste.
Als Cade die Gräber für seine Pflegefamilie ausgehoben hatte, hatte Rydstrom ihn aufgesucht. Ohne ein Wort hatte er eine Schaufel genommen. Schulter an Schulter hatten sie gemeinsam gearbeitet.
Cade hatte Rydstrom soeben um seinen Thron gebracht, und trotzdem hatte sein Bruder ihm schweigend geholfen,
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