Verführung der Unschuld 2
üppigem Grün umgeben. Sogar die schmale Auffahrtsallee, die sich von hohen Pinien gesäumt zu dem höher gelegenen Haus hinauf schlängelte, verschwand im dichten Bewuchs. Aus Angst sich zu verlaufen hatte sie sich nicht einmal an ihren wenigen freien Tagen getraut, das Gelände allzu weit zu erkunden.
Lorenzo hatte Giulia erzählt, dass die Villa Mitte des 17. Jahrhunderts von einem ihrer mütterlichen Vorfahren, dem Grafen Cesare Borgo, erbaut worden war. Nach typischer Bauart bestand sie aus zwei Geschossen, über denen sich nur im Eingangsbereich noch ein drittes erhob. Es war eines von vielen Gebäuden jener Zeit, in denen die reichen Luccesischen Familien ihre verfeinerte Lebenskunst mit einem repräsentativen Landsitz krönten. Die sanfte Hügellandschaft, die Lucca umsäumte, war geprägt davon. Bevor sie eingezogen waren, hatten die
Gemelli
das Gebäude mit Sorgfalt und Liebe zum Detail restaurieren lassen, auch das noch erhaltene, exquisite Mobiliar, wovon ein Teil nun in ihrem Wohn- und Speisezimmer stand.
»Für nächste Woche sind wir alle zu einem Familientreffen bei Federico eingeladen. Dann werden wir seine Frau kennenlernen.«
Was für ein Typ Mensch mochte diejenige wohl sein, die sich getraut hatte, diesen abgebrühten, knallharten Kerl zu heiraten? Viel Zeit zum Kennenlernen hatten sie ja offensichtlich nicht gehabt. Hatte er sie auch wie Giulia mit irgendwelchen Tricks gefügig gemacht? War sie ihm an Bildung und gesellschaftlichem Stand unterlegen? Nein, das konnte nicht sein. Denn gerade dies hatte ja den alles verändernden Streit genährt. Sie musste also elegant, gebildet und aus gutem Hause sein. Federico hatte schließlich keinen Hehl daraus gemacht, dass ein Hausmädchen wie Giulia zwar ein nettes erotisches Spielzeug sei, als Ehefrau jedoch unter seinem gesellschaftlichen Niveau. Ein Bauchgrimmen zog auf. Niemals würde Federico sie als Schwägerin akzeptieren. Er würde sie in jedem Augenblick spüren lassen, dass sie in seinen Augen minderwertig war und schuld an der Entzweiung zwischen seinem Bruder, ihm und den Eltern. Giulia seufzte. Auf diese Begegnung würde sie liebend gerne verzichten.
Fürsorglich legte Lorenzo seinen Arm um Giulias Schultern und zog sie zärtlich an sich. »Mach dir keine Sorgen, Liebes. Ob Federico nun geheiratet hat oder nicht – für uns beide wird sich deswegen nichts ändern. Und ich werde dafür sorgen, dass wir uns nicht öfter als nötig bei meinen Eltern über den Weg laufen.«
»Vielleicht ist ja wenigstens seine Frau ganz nett«, flüsterte Giulia hoffnungsvoll.
»Ganz bestimmt«, erwiderte Lorenzo, aber es klang wenig überzeugend.
Wilde Weinberge
Puh
. Mariellas Herz klopfte wild, als Federico in rasanter Kurvenfahrt seinen Sportwagen in Richtung der Zufahrt zum Landgut lenkte. Ihr war keine Zeit geblieben, in Ruhe über den neuen Lebensabschnitt nachzudenken, der jetzt vor ihr lag und die Begegnung mit ihren Schwiegereltern, über die sie nichts, rein gar nichts wusste. Federico schien es nicht für nötig zu halten, ihr irgendwelche Informationen über sich, seine Familie, sein bisheriges Leben, zu geben. Sie wusste lediglich, er war durch den Kauf und Verkauf von Immobilien reich geworden. Das war alles.
Während sie durch die Weinberge rasten und sie inständig hoffte, dass ihnen auf der schmalen Straße niemand entgegen kommen würde, dachte sie nach. Was würde sie erwarten? Schön und gut, sie war mit Federico verheiratet. Eine richtige, amtlich verbriefte Ehefrau. Das war aber auch schon alles. Sie wusste über ihn fast genauso wenig wie Frauen früherer Jahrhunderte, als der Ehemann noch von den Eltern ausgewählt worden war. Nur war es bei ihnen ein klein wenig anders. Er hatte sie sich selbst ausgesucht. Ausgewählt aus zwölf potentiellen Kandidatinnen, von denen jede auf ihre Weise besonders attraktiv gewesen war. Alle perfekt dazu ausgebildet, ihrem künftigen Lebenspartner zu jeder Zeit eine willige Gespielin zu sein, dabei intelligent, gesellschaftsfähig und eloquent.
Mariella schauderte rückblickend, wie alles abgelaufen war. Und nun hatte er sie seinen Eltern –
Buon giorno, Überraschung!
– ohne Vorankündigung als frisch gebackene Ehefrau präsentiert. War es auf diesen überfallartigen Besuch zurückzuführen, dass seine Eltern sich distanziert verhalten hatten oder gab es etwas in der Vergangenheit, das einen eher zurückhaltenden Umgang zwischen Eltern und Sohn begründete? Federico hatte sie darüber weder
Weitere Kostenlose Bücher