Verführung der Unschuld 2
das schmutzige Geschirr. Die Küche aufräumen und den Geschirrspüler füllen konnte sie auch später. Etwas Brisantes lag in der Luft.
Lorenzo hatte bereits die Bremse des Stubenwagens gelöst und diesen vor sich her ins Wohnzimmer geschoben, und sie folgte ihm gespannt darauf, was ihn so sehr beschäftigte.
Das Wohnzimmer war großzügig angelegt, mit einer gelungenen Zusammenstellung aus erlesenen antiquarischen Vitrinenschränken und modernem Sofa bestückt. Eine doppelflügelige Tür führte hinaus auf die Terrasse, die ebenfalls ausreichend Platz bot. Die Wohnzimmerwände waren in dezenten Ockerabstufungen marmoriert, und schlossen zur weiß gestrichenen Decke mit einer Stuckleiste ab. Alles passte sehr gut zusammen. Lorenzo hatte einen ausgefeilten Geschmack und Giulia zu jedem einzelnen Möbelstück erklärt, warum ihm dies gefiel. In der Art und Weise wie er dies tat, hatte sie nie das Gefühl, dass er lehrmeisterlich war und sie wie ein Dummchen behandelte, obwohl sie sich aufgrund ihres einfachen Schulabschlusses und der abgebrochenen Lehre als Floristin manchmal minderwertig fühlte. Aber sie lernte von ihm, und das war gut so.
»Komm, setz dich zu mir«, sagte Lorenzo und klopfte überflüssigerweise mit der Hand auf die Sitzfläche des Sofas. Giulia saß immer neben ihm, einfach weil sie es liebte, sich eng an ihn zu kuscheln. Im Augenblick allerdings war ihr nicht danach. Seine ernste Miene schürte ihr Unwohlsein. Fast fühlte sie sich wieder wie das Hausmädchen, das sie noch vor rund einem Jahr gewesen war, und ihr Herz klopfte hart in ihrer Brust. Hatte sie vergessen etwas zu erledigen, was er ihr aufgetragen hatte? Eigentlich war sie sich keiner Schuld bewusst, und selbst wenn dies mal geschah, machte er deswegen kein Aufhebens.
Lorenzo nahm ihre Rechte in seine Hand und zog sie auf seinen Oberschenkel. Die Wärme seines Körpers strahlte durch die leichte Sommerhose und sie hätte liebend gerne ihre Finger in seinen muskulösen Oberschenkel gegraben. Aber dies war nicht der geeignete Augenblick.
»Ich muss dir etwas sagen, Giulia, was für dich vielleicht ein wenig unangenehm ist.« Er schaute sie an und sie erwiderte seinen Blick aus den dunklen Augen. Für einen Moment verharrte er, als suchte er noch nach den passenden Worten. »Der Patrone hat mich angerufen. Heute Nachmittag.« Wiederum hielt er inne, als hätte er die rechten Worte noch nicht gefunden, ihr eine unangenehme Botschaft zu übermitteln. »Also, um es kurz zu machen: Federico ist wieder da.«
Giulia erstarrte. Binnen Sekunden jagten Bilder an ihrem inneren Auge vorbei. Die Morenos im Doppelpack, äußerlich einander so ähnlich, dass sie kaum auseinander zu halten waren. Elegant gekleidet, muskulös, maskulin, sicher im Auftreten. Aber bei intimer Begegnung von so unterschiedlichem Charakter, dass Giulia bei dem Gedanken an ihren Schwager ein kalter Schauer überflutete.
Lorenzo drückte ihre Hand ein wenig fester. »Federico stand heute plötzlich bei meinen Eltern vor der Tür. Und er war nicht allein. Er hat ihnen seine … Also, er hat ihnen seine Frau vorgestellt.«
Für Sekunden wurde Giulia schwarz vor Augen und sie blinzelte mehrmals, bis Lorenzos Gesicht wieder Konturen annahm. »Dein Bruder hat geheiratet?«, stieß sie mühsam hervor. »Wen?«
So, wie sie Federico kennengelernt hatte, unsensibel und dominant, konnte sie sich nicht vorstellen, dass sich eine Frau in ihn verliebte. Nach seiner überraschenden Abreise hatte er von Zeit zu Zeit eine Postkarte an seine Eltern geschickt, mit dem Hinweis, sie sollten sich keine Sorgen machen. Er nähme sich lediglich eine Auszeit, um über seine Zukunft nachzudenken. Das war alles. Nicht einmal telefonisch war er zu erreichen, wie die Patrona beklagt hatte. Offensichtlich hatte er seine Handynummer geändert und wollte nicht erreichbar sein.
Das lag nun alles ein Jahr zurück. Ein erlebnisreiches Jahr voller Höhen und Tiefen. Ein Jahr, in dem Lorenzo und Giulia sich auf einer romantischen Hochzeitszeremonie das Ja-Wort gegeben hatten und für zwei Wochen in die Toscana abgetaucht waren. Und es war das Jahr, in dem Giulia ihre
gemeinsame
Tochter zur Welt gebracht hatte, wie Lorenzo immer wieder gerne betonte. Ob sie genetisch analysiert nun wirklich seine oder doch eher die Tochter seines Zwillingsbruders war, war inzwischen ohne Bedeutung.
Jetzt
war sie seine Tochter, die er von ganzem Herzen liebte. Darüber hinaus war es auch das Jahr, in welchem Lorenzo seinen
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