Verführung Der Unschuld
hinein und ließ sie
auf die Chaiselongue niedersitzen. Während sie im Dunkeln etwas zu erkennen versuchte,
zückte er sein Feuerzeug, um zwei dicke blaue Kerzen zu entzünden, die in hüfthohen
silbernen Leuchtern steckten.
Der Pavillon war spartanisch, aber geschmackvoll eingerichtet. Der Chaiselongue gegenüber
standen zwei Sessel. Alle drei Möbelstücke zeichneten sich durch schlicht designte, organisch
geschwungene Formen aus. Die stramm aufgespannten Bezüge aus robustem, aber dennoch
feinmaschigem Stoff waren in unaufdringlichem Taubenblau gehalten, und in derselben Farbe
waren links und rechts des Eingangs voluminöse Vorhänge zusammengerafft, die sich an
einer rundum laufenden Schiene vor die Fenster ziehen ließen, um den Einblick von außen zu
verwehren. Eine kleine Anrichte aus dunklem, fast schwarzem Holz mit silbernen
Beschlägen, und ein dazupassendes niedriges Tischchen zwischen den Sitzmöbeln stellten
den Rest der Einrichtung dar.
»Mach es dir doch bequem, leg dich hin und zieh deine Strickjacke aus!«, forderte Federico
Giulia auf. Zögernd schob sie ihre orangefarbenen Flipflops von den Füßen und nahm die
Beine hoch auf die Chaiselongue, behielt die Jacke aber an. Erst als er sich dicht neben sie
setzte, rückte sie noch ein Stück, um ihm Platz zu machen, streckte die Beine aus und lehnte
sich an das erhöhte Kopfteil zurück. Er streichelte sanft ihre Wange, dann stützte er sich mit
seinen Händen links und rechts von ihr auf der Liegefläche ab und beugte sich über sie, um
sie zu küssen.
Sein Eau de Toilette mischte sich verführerisch mit seinem eigenen herb-männlichen
Geruch, und die warme Nähe seines Körpers vermittelte ihr das lange vermisste Gefühl der
Geborgenheit – ein Gefühl, das nur in dieser romantischen Umgebung entstehen konnte. Dazu
kam der geheimnisvolle Glanz in seinen dunkelbraunen Augen, in denen sich der
Kerzenschein spiegelte – die Summe dieser Eindrücke war zuviel für Giulias Sinne,
überforderte sie, und einem schüchternen Impuls folgend drehte sie ihren Kopf ab, um ihm
auszuweichen.
»Was hast du?«, fragte er irritiert. Sie würde sich doch wohl hoffentlich nicht zickig
anstellen? »Hat dir der morgendliche Kuss nicht gefallen und keine Sehnsucht nach mehr
ausgelöst?«
Ihre Augen antworteten mit ja, aber ihr Mund sagte etwas anderes: »Was wollen Sie, Signor
Federico? Meine Lage als Dienstmädchen ausnutzen? Ein Abenteuer?« Sie schaute ihn aus
dem Augenwinkel heraus an. »Ich habe doch bereits für meine Unachtsamkeit gebüßt! Was
wollen Sie noch?« Und sie nahm all ihren Mut zusammen und presste heraus, was sie von
ihm hielt: »Sie – Sie – Casanova!«
Für einen Moment schwankte Federico zwischen Verärgerung und Belustigung, dann lachte
er lauthals heraus. »Nun tu doch nicht so unschuldig! Ich will dich, was denn sonst!«
Eigentlich ging ihm nicht der Ruf eines rücksichtslosen Casanovas voraus, der alles
vernaschte, was ihm gerade über den Weg lief. Im Gegenteil: er war wählerisch. Manche
junge Frau der so genannten höheren Gesellschaft hätte etwas darum gegeben, von Federico
oder Lorenzo beachtet und wenigstens eine Zeit lang als Begleitung auserwählt zu werden.
Aber gerade die Frauen, die unverhohlen deutlich diese Signale ausstrahlten und sich ihnen
aufdrängten, erweckten in der Regel nicht ihr Interesse. Für die Brüder kamen – ohne dass
ihnen selbst dies bewusst war – nur Frauen in Betracht, die zumindest den Anschein der
Eroberung wahrten und dem sinnbildlichen Spiel des Jägers und seiner Beute gerecht wurden.
Giulia passte hervorragend in dieses Beuteschema: sie war attraktiv, jung, unverdorben,
unverformt – und abhängig. Jetzt war es nur wichtig, ihre Abwehr zu durchbrechen, ihr das
Gefühl zu geben, mehr als ein Abenteuer zu sein, begehrt zu werden, und sie damit zu einem
willigen Spielzeug zu machen.
»Ich dachte, wir waren uns einig? Hattest du nicht versprochen alles zu tun, um dein Bleiben
zu rechtfertigen?«, fragte Federico herausfordernd. »Oder bin ich dir plötzlich unsympathisch
geworden, oder habe ich etwas getan, was dich gekränkt hat?«
»Nein, Signor Federico, auf keinen Fall. Ich … ich will ja gar nicht bestreiten, dass ich …«,
Giulia schluckte verlegen und fühlte, wie sie zunehmend errötete, was er hoffentlich
angesichts der spärlichen Beleuchtung nicht sehen würde.
Sie zuckte zusammen, als er nach ihren Schultern griff, ihre Strickjacke ein Stück
herabschob, sie fest in
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