Verführung erster Klasse 2 - Die Wandlung
schüttelte den Kopf. Das musste eine ziemliche Kratzbürste
sein.
Sie legte das Buch wieder weg und schaute sich im Raum
um. Es war ein schönes, eher altmodisches Büro. Die Vorhänge
waren rot, das Holz von Regalen und Schreibtisch sehr
dunkel. Irgendwie erinnerte es sie an das Arbeitszimmer
eines Universitätsdirektors.
Als sie sich umsah und über das Gelesene nachdachte,
wurde ihr klar, wie viel eigentlich von der Unwissenheit der
Menschheit abhing. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, was
für eine Panik ausbrechen würde. Die Angst des Rates war
sicherlich berechtigt.
Ob es das eigentliche Ziel desjenigen war, der Ted
entführt hatte? Wollte jemand die Übernatürlichen ans Licht
der Öffentlichkeit bringen?
***
Der Hardcorn Wald lag nur etwa dreißig Minuten Fahrt von
den Silberhallen entfernt. Es handelte sich dabei um eines
ihrer Gebiete, das jedoch nicht von der Außenwelt
abgeschnitten war. Dort lebten keine gefährlichen Wesen.
Dennoch schützten sich die Bewohner des Waldes auf ihre ganz
eigene Art: Nachtfeen konnten den Wald verdunkeln.
Es gab so viele von ihnen, dass sie es schafften, einen
Sturm zu simulieren, der alle Menschen nach wenigen Minuten
wieder aus dem Wald vertrieb. Gesehen wurden sie nie, da
auch sie wie Waldgeister die Fähigkeit hatten, sich
unsichtbar zu machen.
Über mehrere Kilometer erstreckte sich der Wald, es gab
verschiedene Anhöhen und auch Höhlen konnte man hier zur
Genüge finden. Alles in allem war es ein perfekter
Lebensraum für die unzähligen kleinen Geschöpfe.
Zephir hielt am Rande des Waldes an und schaute in das
dichte Gestrüpp hinein. Ted musste sich irgendwo darin
befinden. Zu seiner Überraschung konnte er ihn fühlen. Ein
Kribbeln breitete sich von seinen Fingerspitzen bis in die
Zehen hinaus aus, und bevor er sich versah, setzten sich
seine Füße von alleine in Bewegung.
»Hey, wir können doch nicht so einfach loslaufen«, meinte
Ardat. »Oder willst du etwa blind den ganzen Wald
durchsuchen?«
»Ich weiß, wo er ist. Ich kann es spüren.«
»Ist das dein Ernst? Langsam übertreibst du es mit diesem
Liebesgewäsch«, sagte Ardat abfällig.
»Du verstehst das nicht. Ich hatte es dir schon einmal
gesagt: Ted und ich sind verbunden. Ich kann es nur schwer
erklären, aber ich kann spüren, wo er sich befindet.«
Ohne ein weiteres Wort ging Zephir in den Wald hinein und
Ardat folgte ihm. Um sie herum schwebten Nachtfeen, die sie
interessiert anstarrten. Immer wieder kamen neue hervor und
versteckten sich schnell hinter einen Baum und in den
Büschen, wann immer Zephir sie anschaute.
Er hätte sie gerne gefragt, ob sie irgendetwas gesehen
hatten, doch leider waren Nachtfeen weder fähig zu sprechen
noch waren sie besonders schlau. Meistens war es sogar ihre
Neugier, die sie irgendwann umbrachte. Zu interessiert waren
sie an anderen Geschöpfen und so hielt sie selbst die
Gefahr, gefressen zu werden, nicht von einem interessanten
Besucher fern.
Während sie so unter dem dichten Blätterwerk
hindurchgingen, konnte Zephir langsam spüren, wie das
Kribbeln in seinem Körper stärker wurde. Manchmal änderte er
die Richtung, ging ein paarmal sogar mitten in dichtes
Gestrüpp hinein und Ardat folgte ihm mit einem
Gesichtsausdruck, der aussagte, dass er nun vollkommen von
dem Wahnsinn seines Bruders überzeugt war. Auch fluchte er
mehrmals, denn Wälder waren noch nie sein Fall gewesen.
Zephir ließ sich aber nicht von seinem Kopfschütteln
irritieren. Die Stärke seiner Verbindung zu Ted überraschte
ihn selbst und er wünschte sich mehr denn je, etwas mehr
über die Beziehungen zwischen Sirenen und Menschen zu
erfahren. Wer wusste schon, was diese Verbindung noch mit
sich bringen würde? So unglaublich schön sie auch war, so
machte er sich doch Sorgen darüber, was mit Ted passieren
könnte. Der Textausschnitt, der noch in seiner Tasche lag,
hatte von körperlichen Veränderungen eines Menschen
gesprochen, der mit einer Sirene zusammen gewesen war. Was
wäre, wenn die Fähigkeit, anderen Monstern ihrer Kräfte zu
berauben, nicht die einzige Auswirkung sein würde?
Wegen ihm war Ted bereits zweimal in tödlicher Gefahr
gewesen und jetzt befand er sich auch noch in den Händen
einer Wahnsinnigen. Zephir könnte es nicht ertragen, wenn
noch mehr mit ihm passieren würde.
Etwas knackte neben ihm und Zephir blieb stehen. Er hielt
seine Hand aus, damit auch Ardat stehen blieb und
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