Verfuehrung im Palast der Liebe
abblitzen ließen. Es kratzte an seinem Stolz. Umso mehr, wenn es von der Art Frau kam, die sie offensichtlich war. Eine Närrin, dass sie solche Spiele mit ihm zu spielen versuchte. Eine Närrin, dass sie erst zugab, ihn zu begehren, und es dann verneinte. Aber sie hatte ihn stehen lassen, und das stach in seinen Stolz, so wie Sandkörner in ungeschützte Haut stachen, wenn der Wüstenwind sie vor sich her trieb.
Als Jungen waren Jay und sein Bruder Rao oft zusammen in der Wüste ausgeritten. Jetzt hatte Jay plötzlich Sehnsucht nach der Freiheit der Wüste. Die Wüste war ein harter Gegenspieler, aber ein fairer. Sie machte aus einem Jungen einen Mann und aus einem Mann einen Anführer und Regenten. Während der Jahre des selbst gewählten Exils hatte er die Wüste vermisst. Nachdem Rao ihn in einem Brief mitgeteilt hatte, dass der Vater im Sterben lag, und ihn bat zurückzukommen, da hatte Jay direkt nach der Rückkehr in die Heimat ein Pferd gesattelt, um durch die Wüste zu reiten und das Gefühl von Freiheit erneut zu schmecken.
Rao würde ein weiser und guter Regent werden. Jay liebte und bewunderte seinen älteren Bruder. Er war ihm auch dankbar dafür, dass er ihm die Möglichkeit geboten hatte, mit dem Vater vor dessen Tod Frieden zu schließen.
Die Kurtisane, die die Familie auseinandergerissen hatte, war längst fort. Fortgelaufen mit einem Jüngeren – und einer ganzen Kiste voller Schmuck, die sie sich „geborgt“ und nie zurückgegeben hatte …
„Ich habe ein Treffen mit Jay arrangiert. Leider kann ich nicht dabeibleiben, ich muss noch zu einem anderen Meeting. Aber er ist sehr interessiert daran, dich kennenzulernen.“
Einerseits war Keira natürlich dankbar, dass Sayeed sie begleitete, auf der anderen Seite jedoch hätte sie gern mehr Zeit allein gehabt, um sich die Altstadt in Ruhe anzusehen, durch die sie jetzt liefen.
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass der Unternehmer, der die treibende Kraft hinter den modernen Bürokomplexen, die im Moment überall in Indien wie Pilze aus dem Boden schossen, in einem Palast mitten in der Altstadt von Ralapur lebte.
„Jay verschweigt es gern, er hält sein Privatleben nämlich lieber verdeckt, aber … sein Vater war der verstorbene Maharadscha. Solange sein Bruder unverheiratet bleibt, ist Jay der nächste Anwärter auf den Thron. Der alte Maharadscha war sehr konservativ, aber Rao und Jay wollen die Errungenschaften der modernen Welt nach Ralapur bringen, wobei sie jedoch sehr viel Wert darauf legen, dass die alten Traditionen, die diesen Stadtstaat zu etwas Besonderem machen, erhalten bleiben. Deshalb liegt das neue Bauprojekt ja auch außerhalb der Stadtgrenze.“
Keira konnte Sayeed nur zustimmen. Ralapur war etwas Besonderes. Kein Wunder, dass der neue Maharadscha und sein Bruder so entschlossen waren, es zu bewahren. Es war schwer zu entscheiden, welcher Baustil das Bild der Altstadt bestimmte. Arabische Einflüsse waren eindeutig zu erkennen, schließlich sollte der Legende nach einer der ersten Herrscher ein arabischer Prinz gewesen sein. Ebenso gab es persische Einflüsse, und die Hindu-Tempel verliehen dem Ganzen eine ruhige Atmosphäre. Zu gern wäre Keira auf Entdeckungsreise gegangen.
Innerhalb der Stadtmauern durften keine Autos fahren, und so gingen Keira und Sayeed zu Fuß durch die gewundenen engen Gassen, bis sie aus dem kühlen Schatten der Gebäude auf einen großen Platz ins Sonnenlicht traten. Vor ihnen lag der königliche Palast mit seiner gleißend weißen Alabasterfassade. Zwei Wachen in den Uniformen des Mogulreichs in Gold und Rot und mit Turbanen standen auf der breiten Außentreppe. Dem Palast gegenüber lagen zwei etwas kleinere, aber ebenso beeindruckende Paläste, und auf einen von diesen steuerte Sayeed zu.
„Jay wohnt in dem Palast, der ursprünglich für einen Maharadscha des sechzehnten Jahrhunderts gebaut wurde. Dieser zweite dort stammt aus der gleichen Zeit. Er wurde für die verwitwete Mutter errichtet, die damals eine angesehene Staatsfrau war“, erklärte Sayeed, bevor er kurz zu der Wache sprach, die auch hier die Eingangstore schützte. Allerdings vermutete Keira, dass es bei diesen Wachen mehr um den Effekt als um tatsächlichen Schutz ging.
Dann standen sie auch schon in der mit Marmor ausgelegten riesigen Eingangshalle. Keira wurde mit jeder Sekunde nervöser. Es war schon einschüchternd genug, dass ihr neuer Kunde ein anspruchsvoller Milliardär war, aber herauszufinden, dass er auch zur
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