Verfuehrung im Palast der Liebe
ungeliebt gefühlt haben, doch das hatte sie damals nicht gesehen. Keira war zu jung und zu verletzt gewesen, um es zu erkennen. Wenn schon nichts anderes, so hatte die Liebe zu Jay sie gelehrt, ihre Mutter in einem anderen, milderen Licht zu sehen.
„Was sie damals zu mir sagte, jagte mir eine Heidenangst ein. Und ich war wütend. Ich schwor mir, dass, wenn ich schon diese Zügellosigkeit geerbt hatte, dann würde ich sie eisern im Zaum halten.“
„Indem du nie Sex haben wolltest?“, vermutete Jay richtig.
Keira nickte. „Ja. Es war auch gar nicht schwierig. Bis ich dich traf. Ich konnte ja nicht wissen … Nie hätte ich geahnt …“
„Habe ich dich fühlen lassen, als wärst du wie deine Mutter?“
Sie schüttelte den Kopf. „Zuerst ja. Doch dann, als wir anfingen, miteinander zu schlafen, zeigte mir meine Sehnsucht nach dir auch, dass ich niemals wie sie sein könnte. Ich wollte dich, nur dich. Ich wusste, ich würde mich niemals einem anderen hingeben können, geschweige denn für Geld anbieten. Meine Leidenschaft sollte nur dir allein gehören. Und dafür danke ich dir, Jay. Du hast mich von der Angst vor meiner eigenen Sexualität befreit. Meine Großtante und meine Mutter haben mir ständig prophezeit, was aus mir werden würde, doch nun weiß ich, dass das nie passieren wird. Ich verstehe auch, dass du mich jetzt nicht mehr willst.“
„Im Gegenteil. Das, was du mir gerade offenbart hast, lässt mich dich nur noch mehr lieben.“
Keira traute ihren Ohren nicht. „Es ist doch unmöglich, dass du mich jetzt noch liebst. Ich bin nicht gut genug für dich, Jay.“
„Ich bin es, der nicht gut genug für dich ist. Du bist hundertmal, nein, tausendmal so viel wert wie ich. Du beschämst mich mit deiner Ehrlichkeit und deinem Mitgefühl, mit deiner Großzügigkeit und deiner Treue und deinem endlos weiten Herzen. Nein, ich bin deiner nicht wert. Doch das hält mich nicht davon ab, so egoistisch zu sein und dich zu bitten, meine Frau zu werden.“
„Deine Frau?“
„Natürlich.“ Jetzt kam seine Arroganz wieder zum Vorschein. „Meinst du etwa, ich würde unsere Liebe herabwürdigen, indem ich die ganze Welt nich t auf die wirksamste Weise, die sie kennt, wissen lasse, dass du mir gehörst? Au ßerdem …“ Seine Stimme wurde weicher. „Ich werde nicht zulassen, dass ich dich verliere. Wenn du mir erst dein Versprechen gegeben hast, dann wirst du bei mir bleiben. Und bei unseren Kindern. Das weiß ich mit Sicherheit. Du wirst wie meine Mutter sein, treu und liebevoll. Sie würde dich mögen.“
„Jay, du kannst mich nicht heiraten. Dein Bruder wird es nicht erlauben.“
„Rao ist mein Bruder, nicht mein Vormund. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Ich habe ihn bereits darüber in Kenntnis gesetzt, dass ich dich heirate. Und er hat mir gesagt, dass er das gut verstehen kann.“ Jay strich ihr sanft über die Wange. „Ich kann nachempfinden, warum du so denkst. Du hast viel ertragen müssen, auch von mir. Ich wünschte, ich hätte es dir erspart. Doch unser Glück wird umso strahlender sein durch den Schmerz, den wir beide erlebt haben. Ich versichere dir, es gibt nicht den geringsten Zweifel in mir über die Kraft meiner Liebe für dich, weder in meinem Kopf noch in meinem Herzen. Ebenso kann ich dir versichern, dass ich, solltest du mich jetzt abweisen, um dich kämpfen und um dich werben werde, bis du endlich nachgibst und einwilligst, mich zu heiraten.“
Keiras Herz jubilierte vor Glück, als sie erkannte, dass es ihm ernst war.
Noch ein wenig unsicher schmiegte sie sich in Jays Arme und bot ihm ihren Mund zum Kuss.
EPILOG
Aus den Schatten des Gartens beobachtete Keira die geschäftigen Hochzeitsvorbereitungen im Hof.
Die Sonne ging unter, auf dem ruhig daliegenden See schien der Palast auf dem Wasser zu schwimmen wie die Seerosen. Es war ein Bild wie aus 1001 Nacht.
Im Hof wurde der Hochzeitsaltar aufgebaut. Die Gäste, die für die morgige Zeremonie bereits angereist waren, schauten dabei zu.
Keira sah einen Mann aus den Schatten auf sie zutreten. Er war schön und stolz wie der Wüstenlöwe. Ihr Herz begann zu pochen, der Atem stockte ihr, als Sehnsucht sie durchflutete.
„Jay.“
„Ich dachte mir, dass ich dich hier finden werde.“
Anfang der Woche hatten sie in London standesamtlich geheiratet und waren dann nach Ralapur zurückgeflogen, um in Jays Heimat das traditionelle Hochzeitsritual zu feiern.
Gestern Abend hatte Rao zu einem formellen Dinner geladen, um
Weitere Kostenlose Bücher