Verfuehrung in aller Unschuld
abweisend, doch als Rocco sie ansprach, schien sie sich zu entspannen, nahm den Hut entgegen und setzte ihn auf. Domenico glaubte sogar, sie lachen zu hören.
Nur weil Rocco ihr einen Sonnenhut brachte? Das war doch selbstverständlich!
Stirnrunzelnd beobachtete Domenico, wie die beiden sich angeregt unterhielten.
Lucy Knight war wie ausgewechselt. Eine ähnliche Verwandlung hatte er schon beim Mittagessen bei ihr bemerkt, als das Hausmädchen das köstliche Tiramisu servierte, das es immer zur Begrüßung neuer Gäste gab.
Sie war richtig gerührt gewesen. Als sie seinen forschenden Blick registrierte, hatte sie sich rasch abgewandt, sich aber später überschwänglich bei der Köchin für das Dessert bedankt.
Sie war es offenbar nicht gewohnt, dass jemand nett zu ihr war. Kein Wunder, sie kam ja direkt aus dem Gefängnis.
Hatte sie nicht gesagt, Drohungen würden bei ihr nicht wirken?
Domenico überlegte. Er dachte an ihren unbändigen Stolz, ihre kühle, abweisende Art, ihr verzweifeltes Streben nach Unabhängigkeit. Wenn er mit Drohungen nicht weiterkam, dann vielleicht mit sanfter Überredungskunst.
Wie hieß doch gleich das Sprichwort?
Mit Speck fängt man Mäuse.
Lucy lauschte mit geschlossenen Augen dem Summen der Bienen im Garten und dem Rauschen der Meeresbrandung. Sie fühlte sich angenehm träge. Zum ersten Mal seit Jahren hatte sie das Gefühl, nicht ständig auf der Hut sein zu müssen. An diesem herrlichen Ort fiel es leicht, sich zu entspannen.
Zu leicht angesichts der Tatsache, dass sie ihre Zukunft planen und ein paar wichtige Entscheidungen treffen musste.
„Dachte ich mir doch, dass ich Sie hier finde.“ Die klangvolle Stimme ihres Gastgebers strich wie eine sanfte Brise über sie hinweg.
Abrupt setzte Lucy sich auf der Liege auf und sah nichts als seine große Gestalt, die sich dunkel von der Sonne abhob. Ihr Herz schlug schneller.
„Bleiben Sie sitzen.“ Er berührte sie kurz an der Schulter und machte es sich in einem Sessel bequem, während sie angespannt auf der Kante ihrer Liege saß und ihn argwöhnisch musterte.
„Hätten Sie Lust auf eine kleine Besichtigungstour?“
„Was?“ Sie war so perplex, dass sie ihre guten Manieren vergaß. Doch was spielte es schon für eine Rolle, was Domenico Volpe von ihr hielt?
„Wenn Sie eine Weile hierbleiben wollen, sollten Sie sich ein wenig auskennen.“
Er klang so vernünftig, so kultiviert.
Das war er ja auch. Er behandelte sie höflich und zuvorkommend wie einen Gast, ohne sich seine wahren Gefühle anmerken zu lassen. Was er konnte, konnte sie schon lange.
„Sie müssen sich nicht verpflichtet fühlen, Ihre Zeit mit mir zu verbringen.“
„Sie sind Gast in meinem Haus, also …“
„Wohl kaum. Eher eine Last.“
„Ich habe Sie eingeladen, also bin ich für Ihr Wohlbefinden und Ihre Sicherheit verantwortlich.“
„Meine Sicherheit?“ Gespielt verwundert blickte Lucy sich in dem friedlichen Garten um. „Gibt es hier vielleicht Killerameisen, die über friedlich in der Sonne dösende Gäste herfallen?“
Täuschte sie sich, oder huschte da ein Lächeln über sein Gesicht? Und dieses kleine Grübchen auf seiner Wange, einfach hinreißend …
„Oder bissige Wachhunde, die Exsträflinge in Stücke reißen, wenn sie sich an Ihren Besitztümern vergreifen?“, fügte sie ironisch hinzu.
Diesmal lächelte er nicht. Besser so, dachte Lucy. Wie kam sie auch dazu, ihn nach allem, was geschehen war, noch attraktiv zu finden?
„Keine wilden Tiere, nur einen stillgelegten Brunnen und ein paar alte Schächte, vor denen Sie sich in Acht nehmen sollten.“
Im Grunde war gegen einen Inselrundgang nichts einzuwenden. Auch wenn sie die Chance, in ein Loch zu fallen, als verschwindend gering einschätzte.
Domenico Volpe führte etwas im Schilde, so viel war klar, aber sie würde sich schon zu wehren wissen. Außerdem ließ sie das Gefühl nicht los, dass es zwischen ihnen noch etwas zu klären gab.
„Okay, weihen Sie mich in die Gefahren der Insel ein.“
„Va bene.“ Er erhob sich und reichte ihr die Hand, was Lucy geflissentlich ignorierte. Sie würde sich hüten, einen Mann anzufassen, bei dem sie schon Herzklopfen bekam, wenn er sie nur ansah.
„Zunächst einmal sollten Sie immer daran denken, einen Hut zu tragen“, meinte er tadelnd, als sie aufstand und ihren Rock glatt zog.
„So wie Sie?“ Spöttisch musterte sie seinen dunklen, unbedeckten Schopf. Und erntete ein hinreißendes Lächeln, das ihr weiche
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