Verfuehrung in aller Unschuld
würden Pia und Taddeo keine ruhige Minute mehr haben.
Geld war das Mittel der Wahl, um Lucy ruhigzustellen. Sie hatte mit Sicherheit keins, sonst hätte sie damals einen Topanwalt mit ihrer Verteidigung beauftragt.
Die Erinnerung an den jungen, unerfahrenen Pflichtverteidiger, der sie vor Gericht vertreten hatte, löste noch immer ein mulmiges Gefühl bei Domenico aus. Wäre er nicht fest davon überzeugt gewesen, dass sie schuld an Sandros Tod war, hätte er ihr selbst einen fähigen Anwalt besorgt. Doch alle Indizien hatten gegen sie gesprochen.
Er dachte an seine erste Begegnung mit ihr, eine knappe Woche vor Sandros Tod. Sie war ihm auf einer Schmuckausstellung buchstäblich in die Arme gelaufen, als er gerade die Katalogisierung einiger Familienerbstücke überwachte. Die junge Engländerin, die so entzückend errötete und sich stockend entschuldigte, hatte ihn jeden Gedanken an die Arbeit vergessen lassen.
Bewundernd hatte sie die antiken Broschen betrachtet. Und ihn.
Womit sie ihn aber letztlich an den Haken bekommen hatte, war ihr Zögern, als er sie spontan zu einer Tasse Kaffee einlud. Wann hatte eine Frau jemals auch nur so getan, als hätte sie kein Interesse an ihm?
Aus der Tasse Kaffee war ein Bummel durch das Forum Romanum geworden, ein Mittagessen in einer lauschigen Trattoria und ein ausgiebiger Stadtrundgang am Nachmittag. Domenico hatte sich lange nicht mehr so wohl gefühlt wie in der Gesellschaft der jungen Frau, die für ihn einfach Lucy war, so wie er für sie Domenico.
Eine Frau, deren schöne blaue Augen verheißungsvoll glänzten, die aber mädchenhaft scheu gewirkt hatte, wenn er nur ihre Hand berührte. Sie war klug, humorvoll und erfrischend ehrlich gewesen. Etwas ganz Besonderes eben.
Sie hatte eine ganze Gefühlslawine in ihm ins Rollen gebracht. Leidenschaft, Lebensfreude – und den überraschenden Wunsch, sie zu beschützen. Deshalb hatte er auch darauf verzichtet, sie noch am selben Tag in sein Bett zu locken, obwohl zwischen ihnen bei jedem Blick und jeder Berührung die Funken sprühten.
Er war so von ihr angetan gewesen, dass er ein erneutes Treffen für die darauffolgende Woche vorschlug. Während seiner Dienstreise nach New York hatte er die Stunden gezählt, die ihn noch von ihr trennten.
Bis er zufällig im Fernsehen gesehen hatte, wie seine „Lucy“ vor seinem Familiensitz in Rom von der Polizei abgeführt wurde. An ihren Händen klebte das Blut seines Bruders.
Domenico grauste bei der Erinnerung an diesen furchtbaren Moment.
Nach und nach hatte er dann von Pia und Sandros Angestellten alles über Lucy Knight erfahren. Wie schamlos sie mit seinem Bruder geflirtet und ihn verführt hatte.
Da war der Fall für ihn klar gewesen. Sie musste gewusst haben, wer er war, und die Begegnung in der Galerie sorgfältig geplant haben. Warum sollte sie sich auch mit Sandro begnügen, der lästigerweise verheiratet war, wenn sie den reichen Bruder haben konnte, der noch dazu Single war? Und genauso empfänglich für ihre Reize wie Sandro.
Domenico fuhr sich ärgerlich durchs Haar. Es war beschämend, wie leicht er sich von ihr hatte bezirzen lassen!
Es blieb dabei: Lucy hatte ihre Strafe verdient.
Und doch ging ihm ihr zartes, blasses Gesicht nicht aus dem Sinn, genauso wenig wie ihre großen Augen und das trotzige Kinn, das er ebenso hübsch wie aufreizend fand.
Er hatte sie den ganzen Nachmittag beobachtet. Sie schien von dem Anwesen begeistert zu sein, auch von der Stille und der Abgeschiedenheit. Was musste sie im Gefängnis erlebt haben, um sich so nach Ruhe zu sehnen?
Da war es wieder, dieses unselige Interesse an ihr. Sie war doch nur ein Problem, das er lösen musste. Warum fühlte er sich dann so stark zu ihr hingezogen?
Und die Zweifel, die ihn nachts um den Schlaf brachten, waren ebenfalls wieder da.
Domenico schob die Hände in die Hosentaschen, trat ans Fenster und sah hinaus.
Da war sie. Sie gönnte ihm wirklich keine Pause. Ihr blondes Haar glänzte wie Gold in der Spätnachmittagsonne, als sie den Kopf zurückwarf und zum Himmel blickte. Sie wirkte verführerisch, wie sie dort mit erhobenen Armen auf der Wiese stand und die freie Natur mit allen Sinnen genoss. Bei jedem ihrer tiefen Atemzüge hoben und senkten sich ihre vollen Brüste.
Dann hielt sie inne und verschränkte schützend die Arme, als jemand über den Rasen auf sie zukam. Es war Rocco, sein Sicherheitschef, der einen breitkrempigen Strohhut schwenkte.
Zunächst wirkte sie sehr
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