Verfuehrung in aller Unschuld
sonnengebräunten Armen bildete, wirkte er handfest und erdverbunden. Und atemberaubend sexy.
„Ich dachte, Sie würden lieber auf einer Burg residieren.“
„Und auf meine Untertanen hinabblicken?“
„Nein.“ Das hatte er gar nicht nötig. „Aber wenn Ihnen so viel an Traditionen liegt, hätten Sie die Burg Ihrer Ahnen doch wieder aufbauen können.“
„Sie irren sich. Die Insel gehört nicht meiner Familie. Ich habe sie erst vor ein paar Jahren gekauft, um meinen ersten großen Geschäftserfolg zu feiern.“
„Ach ja?“, fragte Lucy überrascht.
„Allerdings.“ Er musterte sie spöttisch. „Oder dachten Sie, wir Volpes brauchen nicht zu arbeiten? Wir ruhen uns auf unserem Erbe aus und drehen Däumchen?“
Genau diesen Eindruck hatte sie damals gehabt, als sie sah, in welchem Luxus Sandro und seine Familie lebten. Pia hatte keinen Finger krumm gemacht, weder im Haushalt noch für ihr Kind.
Wobei Lucy fairerweise einräumen musste, dass Sandros Frau zwar maßlos verwöhnt, aber leider auch unfähig gewesen war, eine emotionale Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. Worunter sie sehr gelitten hatte.
„Sie halten uns für faule Parasiten, stimmt’s?“ Domenico Volpe beugte sich drohend über sie. In seiner leisen Stimme schwang eiskalter Zorn mit.
„Ganz und gar nicht.“ Ruhig erwiderte Lucy seinen Blick. „Ich weiß, dass Sie Ihr Vermögen in gewagte Projekte investiert haben. Ihr Gespür für riskante, aber lohnende Geschäfte hat Ihnen den Ruf eines Goldjungen der europäischen Wirtschaft eingetragen. Sie sind dafür bekannt, dass Sie hart arbeiten und ein glückliches Händchen haben.“
„Das ist kein glückliches Händchen, sondern präzise Kalkulation.“
„Wie auch immer, jedenfalls nennt man Sie nicht ohne Grund Il Volpe , den Fuchs.“
„Erstaunlich, was Sie alles über mich wissen.“ Der Klang seiner Stimme ließ sie erschauern.
Nur keine Schwäche zeigen, sagte sie sich, sonst bist du verloren.
„Ich weiß gern über meine Gegner Bescheid.“
Domenico Volpe runzelte die Stirn. „Ich war nicht Ihr Gegner.“
„Ach nein? Ihre Familie hat dafür gesorgt, dass ich eingesperrt wurde.“
Nun kniff er die Augen zusammen. „Meine Familie hat den Prozess beobachtet, weiter nichts.“
Lucy wollte protestieren, doch er brachte sie mit einer herrischen Geste zum Schweigen.
„Was genau unterstellen Sie uns? Dass wir die Justizbeamten bestochen haben?“ Zornig schüttelte er den Kopf. „Man hat Sie aufgrund eindeutiger Indizien schuldig gesprochen, Signorina Knight. Aus keinem anderen Grund.“ Nachdem er tief durchgeatmet hatte, fuhr er fort: „Ich geben Ihnen mein Wort darauf. Wir Volpes halten uns an das Gesetz. Glauben Sie mir etwa nicht?“
Sie musste zugeben, dass er ziemlich überzeugend wirkte.
Tatsächlich war sie der juristisch bestens gerüsteten Gegenseite und dem gnadenlosen Staatsanwalt mit ihrem unfähigen Verteidiger hoffnungslos unterlegen gewesen. Und natürlich hatten die Sympathien eher Pia gegolten, der schönen trauernden Witwe und jungen Mutter, als ihr.
Hinzu kam, dass Bruno Scarlatti, Sandros Leibwächter und Hauptzeuge der Anklage, ein ehemaliger Polizist war. Mit seiner klaren, präzisen Aussage hatte er vor Gericht einen glänzenden Auftritt hingelegt und damit ihren Untergang besiegelt.
„Ich … ich weiß nicht.“ Zum ersten Mal mischte sich Unsicherheit in ihren glühenden Hass auf die Familie Volpe.
„Ich bin es nicht gewohnt, dass man mein Wort anzweifelt.“
Lucy lächelte bitter. „Daran gewöhnt man sich nie.“
In den Augen der Öffentlichkeit als schuldig zu gelten schmerzte wie eine offene Wunde, die nicht verheilte. Lucy fragte sich, ob sie sich je wieder frei fühlen würde. Wie lange musste sie die Lüge noch mit sich herumschleppen, die ihr Leben so einschneidend verändert hatte?
Ihr Traum von einem Neuanfang erwies sich als das, was er war – ein Traum. Wie hätte es anders sein können, nachdem Sylvia sie so grausam verraten und die Presse sich wieder an ihre Fersen geheftet hatte? Wie konnte sie sich da in Frieden ein neues Leben aufbauen?
Niedergeschlagen wandte Lucy sich zum Gehen. Ihre Freude an der malerischen Landschaft war verflogen.
„Warten Sie“, erklang Domenico Volpes gebieterische Stimme hinter ihr, und widerstrebend drehte Lucy sich um. „So kommen wir nicht weiter. Ich schlage vor, wir vereinbaren einen Waffenstillstand. Ich behandle Sie wie einen Gast, und Sie verhalten sich wie einer. Keine
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