Verfuehrung in Florenz
heranmachen würde. Aus bitterer Erfahrung wusste er, dass Models wie kleine Kinder rund um die Uhr Aufmerksamkeit und Zuwendung verlangten. Und ließ man sie einmal unbeaufsichtigt, gerieten sie garantiert in Schwierigkeiten. Er war nicht so dumm, eine solche Verantwortung ein zweites Mal auf sich zu nehmen.
Plötzlich entdeckte er seinen Vater, und unwillkürlich zog er die Brauen zusammen. Umringt von einer Gruppe seiner Anhänger, kam Antonio auf die Terrasse heraus und ging langsam in Raphaels Richtung. Wie stets war er makellos gekleidet und trug einen silbergrauen Anzug mit einer weißen Rose im Knopfloch – sein Markenzeichen. Es erschreckte Raphael jedoch, wie sehr sein Vater während seiner Abwesenheit gealtert war. Beim Näherkommen fielen ihm die ungesund blassen Lippen und die tiefen Furchen der Erschöpfung auf, die sich in das hoheitsvolle Gesicht gegraben hatten.
„Vater.“
Antonio war dermaßen überrumpelt, dass er seinen Schrecken nicht verbergen konnte, doch er fasste sich schnell und lächelte kühl. „Raphael, was für eine Überraschung. Was machst du hier?“
„Eigentlich bin ich unterwegs zur Verleihung der Press Photography Awards am Samstag in Venedig, aber ich habe auch in Florenz etwas zu erledigen. Übrigens bei Lazaro .“
Antonio hob leicht die Augenbrauen. „ Si ? Nach so langer Zeit? Du hast Lazaro vor zwei Jahren verlassen, Raphael. Ich kann mir nicht vorstellen, was du jetzt hier zu erledigen hättest.“
„Ich muss die Firmenbücher kontrollieren.“
„Du bist wohl knapp bei Kasse, habe ich recht?“, fragte Antonio. „Daran hättest du denken sollen, bevor du deine Stellung hier aufgegeben hast, um in irgendeiner gottverlassenen Gegend Bauern zu fotografieren. Mit Preisen und Auszeichnungen kann man keine Rechnungen bezahlen.“
„Soviel ich weiß“, erwiderte Raphael äußerst beherrscht, „bin ich immer noch einer der Direktoren der Firma. Daher ist es mein gutes Recht, die Bücher einzusehen. Morgen, wenn dir das passt. Und wenn ich fertig bin, muss ich dich sprechen.“
„Morgen ist unmöglich“, wehrte sein Vater ab. „Am Vormittag gebe ich der italienischen Vogue ein Interview, und am Nachmittag wird das neue Parfum vorgestellt.“ Plötzlich wirkte Antonio erschöpft und machte Anstalten, sich aus dem unangenehmen Gespräch zurückzuziehen. „Außerdem weißt du, wie sehr ich es hasse, mich um Geld zu kümmern. Luca ist für die Finanzen zuständig. Also überlasse ich alles ihm. Er ist hier irgendwo. Sprich doch mit ihm.“
„Das möchte ich lieber nicht.“
„Unsinn, Luca ist dein Bruder. Dieser ganze Unfug mit Catalina gehört längst der Vergangenheit an. Du kannst ihn doch nicht noch ewig für etwas hassen, das … wie lange her ist? Zwei Jahre?“
Raphael lächelte verächtlich. „Glaub mir, Vater, seit damals bin ich auf eine ganze Reihe von Dingen gestoßen, für die ich ihn hasse.“
Antonio ging nicht darauf ein, sondern deutete zum Haus. „Da ist er ja. Wende dich an ihn.“
Luca Di Lazaro lehnte lässig in der Terrassentür und versperrte mit seiner kräftigen Gestalt einer jungen Frau den Weg. Raphael beobachtete voll Verachtung, wie er sich zu ihr beugte, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Bestimmt eine bedeutungslose Schmeichelei, damit sie auf seinen Charme hereinfiel und sich in falscher Sicherheit wiegte. Diesen Trick hatte Luca im Lauf der Jahre bei zahllosen naiven jungen Models angewendet, und er war ihm zur Routine geworden. Wie geschickt er dabei vorging, das wusste Raphael aus eigener schmerzlicher Erfahrung. Seine Freundin war eines dieser Models gewesen.
In diesem Moment drehte Luca sich zur Seite und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Türrahmen. Dadurch gab er den Blick frei auf das jüngste Opfer seiner Verführungskünste.
Sie hatte das durchsichtige Kleid gegen ein Modell aus Seide eingetauscht. Es verhüllte zwar mehr von ihrem aufregenden Körper, betonte ihn aber gerade dadurch umso deutlicher. Weich umfloss das Licht aus dem Saal ihre Rundungen.
Ohne zu zögern und seinem Vater auch nur einen einzigen weiteren Blick zu schenken, drängte Raphael sich zwischen den Leuten durch und steuerte auf die Tür zu. In diesem Moment waren ihm die Firmenbücher völlig unwichtig. Am liebsten hätte er alle Umstehenden aus dem Weg gedrängt, um diese Frau den Klauen seines Bruders zu entreißen und sie fortzubringen an einen Ort, der von diesem hier so weit wie möglich entfernt war.
Luca stieß sich vom
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