Verführung über den Wolken
„Passagiere im Cockpit sind nach den Vorschriften von HAMC nicht erlaubt“, versuchte sie es erneut.
„Rufen Sie doch Ihren Bruder an.“
„Halbbruder. Sie wissen ganz genau, dass er den ganzen Morgen in einer wichtigen Sitzung ist und seine Sekretärin den Anruf nicht durchstellen würde.“
„Ja, dann müssen Sie es wohl oder übel mit mir im Kopiloten-Sessel aushalten.“
Was hatte ihr Vater immer gepredigt? Der Kunde hat so lange recht, wie seine Sicherheit nicht gefährdet ist. Sie holte tief Luft. „Okay. Unter Ihrem Sitz liegt ein Paar Kopfhörer.“
Gage bückte sich und zog den Beutel mit den Kopfhörern hervor, setzte sie auf und stöpselte sich ein. Dann lehnte er sich zurück und legte die Hände auf die Oberschenkel.
Er hatte muskulöse Oberschenkel.
Er ist ein Kunde!
Lauren räusperte sich und sah Gage ins Gesicht. „Wenn Sie eine Sonnenbrille dabeihaben, dann setzen Sie sie bitte auf.
Bitte, sprechen Sie nicht, bis ich die Starterlaubnis habe, und fassen Sie nichts an. Sie können sich während des Flugs entspannen, aber ich muss mich konzentrieren, wenn wir nicht abstürzen wollen.“
So wie ihr Vater .
Das tat weh. Sie schluckte und konzentrierte sich darauf, ihre Flugdaten in den Bordcomputer einzugeben. Zwanzig Minuten später hatte sie die Vorbereitungen abgeschlossen und die Starterlaubnis erhalten. Schon nach kurzer Zeit war das Flugzeug in der Luft. Während der ganzen Zeit hatte Gage Lauren nur stumm beobachtet.
Sie war ganz in ihrem Element, fühlte sich absolut sicher und wusste, dass sie eine verdammt gute Pilotin war. Und doch musste sie sich zusammennehmen, um nicht durch den Mann abgelenkt zu werden, der neben ihr saß. Sie war sich jeder seiner Bewegungen bewusst und nahm sein herbes Aftershave wahr. Keine Sekunde konnte sie Gages Anwesenheit vergessen.
Unverwandt sah er sie an, und sie bedauerte, dass sie ihre dunkelblonden Haare an diesem Tag nur lieblos in einem Pferdeschwanz zusammengefasst hatte, dass sie sich überhaupt nicht geschminkt hatte und ihre kurz geschnittenen Fingernägel wenig elegant aussahen.
Als sie die endgültige Flughöhe erreicht hatten, wandte sie sich zur Seite und sah Gage direkt in die dunklen Augen. Ihr Puls beschleunigte sich. Mit Mühe brachte sie ein leicht verkrampftes Lächeln zustande. „Wenn Sie wollen, können Sie jetzt sprechen.“
„Warum sind Sie Pilotin geworden?“
Das war sie schon oft gefragt worden. „Ich bin mehr oder weniger auf Flugplätzen groß geworden. Wollte nie etwas anderes werden.“
„Was haben Sie denn gemacht, bevor Sie zu Hightower kamen?“
Wahrscheinlich hatte Trent ihn gebeten, sie auszufragen. Deshalb wählte sie ihre Worte mit Bedacht. „Fünfzig Prozent der Zeit war ich Fluglehrerin, außerdem habe ich Jets für Falcon Air geflogen.“
„Falcon Air?“, fragte er überrascht. „Das ist die Charterfirma, die mein Vater oft engagiert. Und wenn Sie nicht da sind, so wie jetzt, übernimmt dann Ihr Vater Ihre Aufgaben?“
Sie zuckte zusammen. Wie ein Stich ins Herz schmerzte die Erinnerung an den geliebten toten Vater. „Früher schon, jetzt nicht mehr. Er ist vor Kurzem gestorben.“
„Das tut mit leid“, erwiderte er kühl, ja teilnahmslos.
„Und was machen Sie, Gage?“ Eigentlich interessierte es sie nicht besonders, aber sie wollte das Gespräch von sich ablenken. Sonst sagte sie versehentlich noch etwas, das sie lieber für sich behalten hätte. Wenn das Gerücht aufkäme, ihr Vater hätte Selbstmord begangen, würde Falcon Air Kunden verlieren. Denn wer würde eine Fluggesellschaft anheuern, deren Piloten das Flugzeug absichtlich abstürzen ließen, vielleicht mit Passagieren an Bord? Auch ein Unfall war nicht gut für ihr Image. So etwas konnte doch nur passieren, wenn die Maschinen nicht gründlich gewartet wurden, oder? Das Aufkommen eines solchen Verdachts musste Falcon Air unbedingt vermeiden, da die Geschäfte sowieso nicht besonders gut liefen.
„Ich bin Unternehmensberater und helfe Firmen dabei, rationeller und rentabler zu arbeiten.“
„Haben Sie internationale Kunden?“
„Ja.“ Er machte eine kurze Pause. „Haben Sie nach dem Tod Ihres Vaters nach Ihrer leiblichen Mutter gesucht?“
Lauren ärgerte sich, dass es jetzt wieder um sie ging. Also antwortete sie nur kurz: „Nein. Sie kam zu mir.“
„Das muss ja eine Überraschung gewesen sein.“
„Nicht unbedingt. Ich weiß nicht, was Trent Ihnen erzählt hat, aber ich habe Jacqui mein Leben lang gekannt.
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