Verfuehrung unterm Silbermond
dieses wütend verzerrte Gesicht, das einen kleinen Jungen zum Weinen brachte, nicht wettmachen konnte. „Weißt du was? Ich bezahle dir das Ticket in die Staaten, dann kannst du dir den Lippenstift selbst kaufen.“
Die Freundin zog empört und beleidigt ab, und Natasha wurde ermahnt, ihren Sohn besser unter Kontrolle zu halten. Doch Sam bekam von Raffaele einen großen Stoffhund geschenkt, sozusagen als Dankeschön für einen Gefallen, von dem Raffaele nicht gewusst hatte, dass er ihn brauchte.
Nach Sams Vater fragte er nie, das ging ihn nichts an. Er war auch nicht interessiert daran, warum die Beziehung auseinandergegangen war, eigentlich sah er Natasha nie mit den Augen eines Mannes. Sie war Sams Mutter und seine Haushälterin, und mit diesem Arrangement waren alle zufrieden …
„Dio!“
Raffaele fluchte laut. Wieso wühlte er in der Vergangenheit, wenn er das größte Problem seines Lebens vor sich hatte – die Gegenwart! „Was soll ich nur wegen Elisabetta unternehmen, Natasha?“, wollte er wissen.
„Du hast doch schon unternommen, was du konntest. Du hast sie in einer Privatklinik untergebracht, die beste, die es gibt, nehme ich an. Du kannst sie regelmäßig besuchen …“
„In den ersten vier Wochen darf sie keinen Besuch empfangen. So lauten die Regeln.“
„Aber du sorgst für ihre Sicherheit, achtest darauf, dass …“
Doch seine Aufmerksamkeit galt nicht mehr ihr, da ein stürmisches Klingeln durch die Halle tönte. Mit ausholenden Schritten ging Raffaele zur Haustür, und bevor er öffnete, sah er erst durch den Spion, ob nicht die gefürchtete Presse schon auf der Schwelle stand.
Doch es war Troy. Und er brachte schlechte Neuigkeiten.
„Die Presse hat Wind von der Sache bekommen“, sagte Troy ohne Einleitung. „Sie haben herausgefunden, wo Elisabetta ist.“
3. KAPITEL
„Bist du dir absolut sicher?“ Maßlose Wut überkam Raffaele bei dem Gedanken, dass seine hilflose kleine Schwester skrupellosen Reportern ausgeliefert war. „Sie wissen, wo sie ist?“
Troy nickte. „Ich fürchte, ja. Gerade hat mich einer von meinen Leuten angerufen. Sie stehen schon vor der Klinik.“
Raffaele fluchte leise. Er fluchte selten, doch wenn Raffaele wütend war, wirklich wütend, dann ließ es ihn seine Selbstbeherrschung vergessen. Allerdings wurde ihm schnell klar, dass er sich seine blinde Wut im Moment nicht leisten konnte. Wut half nie, eine Lösung zu finden. Das hatte er in den letzten Jahren immer wieder erfahren müssen.
„Komm mit in mein Arbeitszimmer“, sagte er zu Troy und sah zu Natasha hinüber, die wartend dastand und aussah, als wolle sie etwas sagen. Er bedeutete ihr zu schweigen und schlug dann wieder ganz den distanzierten Tonfall an, den sie von ihm gewöhnt war. „Kannst du für Troy Kaffee bringen? Hast du schon etwas gegessen, Troy? Natasha wird dir schnell etwas zurechtmachen.“
„Nein danke.“ Troy schüttelte den Kopf. „Kaffee reicht. Aber vielleicht ein paar von diesen Mandelkeksen, wenn welche da sind.“
„Natürlich.“ Natasha lächelte höflich und wandte sich ab. Natürlich schickte Raffaele sie weg. Denn natürlich ging es sie nichts an, was mit Elisabetta passierte.
Schließlich war sie seine Angestellte, nicht seine Vertraute. Ganz gleich, wie sehr sie sich das auch wünschen mochte. Sie war Teil seines Lebens und gehörte doch nicht dazu, das war der größte Nachteil an ihrer Position. Und wenn er sie wegschickte, um Erfrischungen für seine Gäste zu bringen, dann wurde ihr besonders bewusst, dass sie für ihn wirklich nichts anderes war als Personal.
Die beiden Männer nahmen in Raffaeles Arbeitszimmer Platz.
„Können wir die Story unterbinden?“, fragte Raffaele.
„Nur verzögern. Die London News hat angekündigt, noch in der Abendausgabe einen Bericht in der Unterhaltungskolumne zu bringen.“
„Dann setz eine Unterlassungsverfügung auf!“
„Schon passiert. Das Problem ist nur, sie begehen damit keinen Eingriff in die Privatsphäre. Es ist ein allgemein gehaltener Artikel, mit alten Fotos von ‚Elisabetta de Feretti, reiche Erbin und gern gesehener Partygast‘.“
„Das ist absolut inakzeptabel!“, stieß Raffaele mit zusammengebissenen Zähnen aus. „Kümmert ihr Wohlergehen denn niemanden!?“
„Nicht, wenn die Story die Auflage erhöht.“
Raffaele schüttelte den Kopf. Frustration mischte sich mit echter Sorge. Hatte er seine kleine Schwester im Stich gelassen? War er zu sehr in seine Arbeit vertieft
Weitere Kostenlose Bücher