Verfuehrung unterm Silbermond
Feretti“, korrigierte er abweisend, doch ihre Entschlossenheit und die nackte Angst, die er in ihren Augen sah, hatten sein Interesse geweckt.
Also zog er die Tür ein wenig weiter auf, sodass das Licht auf sie fiel. Der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss, war, dass sie mit Sicherheit keine große Versuchung für ihn darstellen würde – was durchaus positiv sein konnte. Manche der anderen Bewerberinnen, vor allem die jüngeren, waren ausgesprochen sexy und hatten auch keinen Hehl daraus gemacht, was sie sich davon versprachen, für einen reichen, gut aussehenden Junggesellen zu arbeiten. Und den meisten älteren schien es bereits in den Fingern zu jucken, ihn zu bemuttern.
„Wieso denken Sie, dass ausgerechnet Sie den Job besser machen als alle anderen?“
Auf diese Frage gab es keine andere Antwort als die schlichte Wahrheit. „Weil niemand diesen Job so sehr braucht wie ich.“
Natürlich sah er, dass sie zitterte. Er hörte auch, dass sie vor Kälte mit den Zähnen klapperte. Und ihre Augen blickten wild und unruhig. Es war durchaus denkbar, dass er mit ihr jemanden in seine Dienste nahm, der nicht ganz zurechnungsfähig war. Aber manchmal verließ Raffaele sich eben auf seinen Instinkt, und jetzt war so ein Moment.
„Kommen Sie herein.“
„Nein! Warten Sie!“
Er runzelte perplex die Stirn. „Ich soll warten?“
„Bitte, geben Sie mir ein paar Minuten, ich bin sofort wieder zurück.“
Nach einem knappen Nicken schob er die Haustür wieder zu und ärgerte sich gleichzeitig. Dieses Mal konnte er sich noch nicht einmal damit entschuldigen, dass er auf ein hübsches Gesicht und einen verlockenden Körper hereingefallen war. Mit ihrem unschuldigen Gesicht war sie wahrscheinlich der Lockvogel irgendeiner Gang, und jetzt holte sie die anderen, um über ihn herzufallen und das Haus auszurauben.
Nein, eigentlich glaubte er das nicht wirklich. Sie war ja fast noch ein Kind, und ihre Verzweiflung hatte echt geklungen. So etwas konnte man nicht einstudieren.
In seinem Arbeitszimmer warf er noch ein Holzscheit auf den Kamin und schenkte sich ein Glas Rotwein ein. Fast rechnete er schon nicht mehr damit, dass sie zurückkommen würde, und sagte sich, dass es wahrscheinlich besser so wäre, als es stürmisch an der Tür klingelte.
Diese Frau hatte seine Geduld ohnehin schon auf eine harte Probe gestellt und nun auch noch das. Wütend riss er die Tür auf. „Das ist kaum die richtige Taktik bei einem Bewerbungsgespräch“, empfing er sie harsch, doch im nächsten Moment stutzte er. Die Frau trug ein Bündel mit einem kleinen Kind im Arm. „Was, zum Teufel, ist das jetzt wieder?“
Ohne nachzudenken zog er sie aus dem Regen ins Haus und führte sie zum Kamin, wo sie sich mit einem erleichterten Seufzer auf dem Boden niederließ, das Kind in ihren Armen.
„Eine Freundin hat mit meinem Kind im Bushäuschen gewartet“, sagte sie leise und wurde im nächsten Augenblick von heftigen Schluchzern geschüttelt.
Eine Sekunde lang fühlte er Wut und Mitleid – und noch etwas anderes. Er würde ihr helfen. Aber nur, wenn sie seine Hilfe zu würdigen wusste. Wenn diese mysteriöse Frau sich allerdings nicht bald zusammenriss und die Tränen abstellte, würde er sie wieder auf die Straße hinauswerfen!
„Hysterie nützt Ihnen nichts“, sagte er kalt. „Das wirkt bei mir nicht. Im Gegenteil.“
Natasha erkannte, dass er meinte, was er sagte. Mit einem letzten Schluchzer rang sie um Fassung und schaute auf Sam nieder. Wie konnte er nur so ruhig weiterschlafen?, fragte sie sich verwundert.
„Wie alt ist er?“, fragte Raffaele.
Mit einem vom Regen und von Tränen nassen Gesicht sah sie zu ihm auf, und plötzlich fiel ihm auf, wie außergewöhnlich ihre Augen waren – hellblau, wie ein strahlender Sommerhimmel.
„Woher wissen Sie, dass es ein Junge ist?“
In ihrer Stimme waren Mutterstolz und Mutterliebe nicht zu überhören, und plötzlich musste er lächeln. „Weil er ganz in Blau gekleidet ist“, erklärt er fast sanft.
Natasha sah auf ihren Sohn. „Stimmt.“ Und zum ersten Mal zeigte sich der Anflug eines Lächelns auf ihrem Gesicht. „Achtzehn Monate“, sagte sie schließlich.
Raffaele wusste nicht viel über Kinder und Babies, nur dass sie sehr anstrengend sein konnten.
„Aber er ist wirklich brav“, versicherte Natasha.
Doch ausgerechnet in diesen Moment wachte Sam auf. Er warf einen Blick auf den fremden Mann und brüllte sofort lautstark los.
„Das merke ich“,
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