Verfuhrt auf dem Maskenball
Flügel zu beiden Seiten waren halb so hoch wie das Hauptgebäude, und aus der Mitte des Sees sprühte eine Fontäne. Die Berge von Wicklow und der strahlend blaue Himmel bildeten den perfekten Hintergrund für das Bild.
„Es ist viel größer als Adare“, stellte Georgie staunend fest. „Und es ist noch nicht einmal fünfzig Jahre alt. Man sagte mir, der Großvater des jetzigen Earls ließ es errichten.“
„Es ist ein Palast“, fügte Lizzie überrascht hinzu. Hier würden sie leben? War das möglich? Diese Residenz passte zu dem Earl und der Countess und zu niemandem von niederem Rang.
Georgie lächelte ihr zu. „Kannst du das glauben? Das ist dein neues Zuhause.“
„Es ist unser neues Zuhause“, gab Lizzie zurück. Sie hatten den See umrundet, der von makellos gestutzten Hecken gesäumt wurde. Die Allee verlief nun geradeaus, und etwa hundert Yards vor ihnen lag das Haus, dessen Front wie ein römischer Tempel wirkte. Jetzt sah sie, dass die Dienstboten herauskamen. Das gesamte Personal stellte sich in einer Reihe auf, um den Sohn ihres Herrn zu begrüßen – den Mann, der eines Tages ihr nächster Herr und Meister sein würde, der kommende Earl of Adare.
In der Kutsche lehnte sich Lizzie zurück. Was sollte sie tun? Sie war nicht Tyrells Gemahlin, sie war seine Geliebte, und das wurde ihr plötzlich sehr deutlich bewusst. Es sollte ihr egal sein, was die Dienstboten dachten, aber aus irgendeinem Grund war es das nicht. Sie erinnerte sich daran, dass auf Adare alle sehr freundlich zu ihr gewesen waren. Doch dies hier war etwas anderes.
Die Kutsche hielt. Lizzie sah Georgie an. „Nach Adare bin ich als Gast des Hauses gekommen“, sagte sie. „Diese Situation ist merkwürdig für mich. Jetzt bin ich seine Mätresse. Und um ganz ehrlich zu dir zu sein, ich habe beschlossen, nicht mehr daran zu denken, dass er mit Lady Blanche verlobt ist, dass sie überhaupt existiert, denn nur so kann ich glücklich sein.“
„Vielleicht ist es am besten, wenn du versuchst, dir im Moment über sie und die Zukunft keine Gedanken zu machen“, meinte Georgie ein wenig unsicher. „Es würde ja doch nichts ändern, oder? Und … Lizzie? Ich bin sicher, dass er dich jetzt ebenfalls als Gast vorstellen wird“, fügte Georgie entschieden hinzu.
Lizzie wusste, dass Tyrell sie niemals als seine Mätresse vorstellen würde, aber genau das war sie. Bald schon würden alle die Wahrheit kennen, wenn sie nicht jetzt schon bekannt war. Lizzie wusste nur zu genau, wie schnell sich Klatsch ausbreitete. Sobald Tyrells Ankunft sich herumgesprochen hatte, würden Gäste vorsprechen. Sich selbst gegenüber konnte sie so tun, als würde Blanche nicht existieren, aber hier würden sie nicht völlig abgeschieden leben, und bald würde die Realität Einzug halten. Die letzten anderthalb Tage lang hatte sie sich ihren fantastischen Träumen hingegeben und nicht darüber nachgedacht, wie ihr Leben sein würde. Plötzlich war sie unsicher und hatte Angst.
Aber es gab keine Wahl. Plötzlich erkannte sie, wie viel sich verändert hatte seit dem Tag, an dem Tyrell sie in sein Bett geholt hatte. Jetzt liebte sie ihn so sehr, dass sie nicht einfach davongehen könnte.
„Sie warten darauf, dass wir aussteigen“, sagte Georgie und streichelte ihre Hand. „Nur Mut, Lizzie.“
Lizzie brachte ein Lächeln zustande, und mit Hilfe eines Lakaien stieg sie aus der Kutsche. Tyrell schüttelte gerade die Hand eines Mannes, den sie für seinen Verwalter hielt. Sie wandte sich zu Ned um und nahm ihn an die Hand. „Mama?“, fragte er, offensichtlich neugierig zu erfahren, wo sie sich hier befanden.
„Eine Weile werden wir hier leben“, sagte sie leise. Ihr Herz schlug sehr schnell.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, drehte Tyrell sich plötzlich um. Lächelnd kam er auf sie zu. Dann zögerte er, und als sich ihre Blicke begegneten, hob er Ned auf den Arm. „Komm“, sagte er zu Lizzie.
Sie war wie betäubt. Niemandem konnte entgangen sein, dass er Ned wie seinen Sohn auf dem Arm trug, und das war ein Bekenntnis. Mit dem Kind auf dem Arm ging Tyrell zurück zu der Reihe der Dienstboten. „Es ist mir ein Vergnügen, wieder hier zu sein“, sagte er. „Das Land scheint in gutem Zustand zu sein, und wenn ich das Haus betrete, werde ich es in seinem Innern sicher in ebenso gutem Zustand vorfinden. Vielen Dank.“
Lizzie begann, die Dienstboten in der Reihe bewusst zu sehen. Es mussten ungefähr fünfzig Personen sein. Überall blickte sie
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