Verfuhrt auf dem Maskenball
wollte sie niemals aufwachen.
Ob Tyrell wohl am Abend zu ihr kommen würde?
Ob er sie wirklich zu seiner Mätresse machen wollte?
Sie, Lizzie Fitzgerald, war immer die Schüchterne gewesen, die Unscheinbare, das Mauerblümchen auf jedem Fest. War es denn möglich, dass er ihr all dies hier geben wollte – und noch dazu Ned als seinen Sohn anerkannte?
„Geht es Ihnen gut, Miss Fitzgerald?“, erkundigte sich die Countess.
Lizzie hatte sie nicht einmal kommen hören. Es gelang ihr, sich zu konzentrieren und Tyrells Bildnis aus ihrem Kopf zu verbannen. Stattdessen erblickte sie jetzt eine ältere Frau vor sich, die sie besorgt ansah.
„Sind Sie sicher, dass diese Räume hier für mich bestimmt sind?“, hörte sie sich fragen.
Die Countess lächelte. „Natürlich. Dies ist einer unserer Gästeflügel, und Tyrell wollte, dass Sie hier wohnen.“ Prüfend sah sie sie an.
Lizzie zögerte. „Ich kann Ihnen gar nicht genug danken für Ihre Freundlichkeit“, sagte sie. „Es tut mir leid, dass ich so eine Szene gemacht habe.“
„Mir tut es leid, dass Sie all dies über sich ergehen lassen mussten“, erwiderte die Countess. „Aber wenn Sie keine Szene wollten, warum haben Sie dann Ihren Eltern überhaupt gesagt, dass Tyrell Neds Vater ist?“
„Das habe ich nicht“, sagte Lizzie, die ihrer Tante inzwischen nicht mehr böse war. „Nur meine Tante Eleanor wusste davon, und sie hatte versprochen, das Geheimnis zu wahren. Aber gestern hat sie das Versprechen gebrochen.“
Die Countess nahm ihre Hand. „Ich fürchte, wir kennen einander nicht sehr gut, auch wenn ich vermute, dass sich das ändern wird. Aber ich bin froh, dass Ihre Tante darüber gesprochen hat. Ned hat ein Recht auf das Leben, das wir ihm bieten können. Und ich zumindest bin begeistert von der Vorstellung, einen Enkel zu haben.“ Sie lächelte.
Lizzie erwiderte das Lächeln. „Er ist so klug, so hübsch und so edel. Er ist seinem Vater sehr ähnlich …“ Sie hielt inne und errötete.
Die Countess musterte sie einen Moment lang. „Das andere Schlafzimmer ist für Ned und Rosie bestimmt. Gibt es noch etwas, das Sie brauchen?“
Lizzie sah sich in dem großen Wohnraum um und auch im Schlafzimmer, dann spürte sie, wie ihr Herz in freudiger Erwartung schneller schlug. „Ich glaube, wir haben alles.“
„Gut.“ Die Countess zögerte. „Darf ich Ned zu einem Spaziergang in den Garten mitnehmen? Er scheint wach zu sein.“
Lizzie blickte hinüber zu Ned, der in Rosies Armen gähnte, sie aber aufmerksam ansah. „Natürlich“, erwiderte sie.
„Ich verspreche, nicht lange wegzubleiben“, sagte die Countess und nahm Ned aus Rosies Armen in Empfang. „Hallo, mein schöner kleiner Enkel. Ich bin deine Großmutter. Du darfst mich Großmama nennen.“
Ned gähnte noch einmal und wirkte sehr gelangweilt. Er sagte: „Ned!“
Lizzie unterdrückte ein Lächeln. „Rosie, würdest du bitte Lady Adare begleiten?“
Rosie nickte, und die drei gingen hinaus.
Jetzt, da sie sich selbst überlassen war, wuchs ihre Aufregung.
Ihr ganzes Leben lang hatte sie davon geträumt, in Tyrells Armen zu liegen, aber nie hatte sie damit gerechnet, dass diese Träume auch nur zum Teil wahr werden würden. Es war noch nicht einmal eine halbe Stunde her, seit er sie geküsst hatte und sie vor Entzücken beinah in Ohnmacht gefallen wäre. Sie presste die Hände an ihre glühenden Wangen. So sehr sehnte sie sich nach seinen Umarmungen, dass sie nicht länger leugnen konnte, eine sehr leidenschaftliche Frau zu sein. Aber konnte sie wirklich seine Mätresse werden?
Lizzie setzte sich und versuchte, ihre wirren Gedanken zu ordnen. Auch wenn man sie für ein gefallenes Mädchen hielt, so kannte sie doch den Unterschied zwischen Richtig und Falsch. Eine Affäre war falsch. Eine Heirat war richtig. Aber was spielte das für eine Rolle, wenn alle Welt sie doch für kaum besser als ein Flittchen hielt? War das noch wichtig, solange nur Tyrell seinem Sohn seinen Namen gab?
Lizzie holte tief Luft. In gewisser Weise erpresste er sie, aber dieses Arrangement war für Ned am besten. Sie wusste, dass es für ihre Familie nicht leicht sein würde, aber sie musste nur ihre glühenden Wangen berühren, um zu wissen, dass es keinen Weg zurück gab. Tyrell hatte an seinen Absichten keinen Zweifel gelassen. Selbst wenn sie es über sich bringen würde, Ned zu nehmen und von hier fortzugehen, so würde er das niemals erlauben.
Lizzie gestand sich ein, dass sie gar nicht
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