Vergangene Narben
die Küche strebte, und mich neben Kian auf den Stuhl fallen ließ. „Weißt du noch heute Morgen? Das kleine Mädchen auf der Galerie, das nach mir gerufen hat?“, fragte ich ihn sofort ohne Umschweife.
Er hatte in der Zwischenzeit aufgegessen, und beobachtete skeptisch Shiva, die Ayden ohne Punkt und Komma zu laberte. Selbst Alina schien mittlerweile von dem Mädel genervt.
„Du meinst die kleine Schwarze in dem Nachthemd?“
„Genau die.“ Ich rückte samt Stuhl ein bisschen näher, und ignorierte dabei Cio, der die Arme neugierig auf meine Stuhllehne gestützt hatte, um auch ja ein Wort zu verpassen. „Bitte, du musst dich erinnern was sie gerufen hat. Es ist wirklich wichtig.“
„Scar“, sagte er sofort. „Das weiß ich noch, weil mich an den Löwen aus diesem Kinderfilm erinnert hatte. Der Rest? Keine Ahnung.“ Er runzelte angestrengt die Stirn. „Irgendwas-irgendwas Scar bla bla auer, oder so.“
„Ouers“, verbesserte ich ihn.
„Ja, genau.“ Er neigte den Kopf leicht zur Seite, wobei ihm das Haar leicht in die Augen fiel – er musste es sich wirklich langsam mal wieder schneiden lassen. „Scar jo Ouers, oder so ähnlich.“
„Scar jo Ouers“, wiederholte ich. War da nicht noch mehr gewesen? Oder glaubte ich einfach nur, dass da noch mehr gewesen war? Verdammt!
„Warum willst du das wissen? Was bedeutet das?“
Das fand ich hoffentlich bald raus. Hastig stand ich auf. „Ich brauche dringend einen Computer.“ Da keiner der Flüchtlinge einen in seiner Tasche mit sich rumzutragen schien, wandte ich mich an Shiva. Sie wohnte hier, sie würde sicher wissen, wie ich an sowas rankam. „Gibt es hier sowas wie einen Computerraum?“
„Ähm …“ Sie blinzelte etwas überrascht, dass ich sie so direkt ansprach, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein, sowas gibt er hier im Hotel nicht.“
„Dann vielleicht ein Internetcafé in der Nähe?“
„Naja, ein paar Straßen weiter gibt es ein kleines Einkaufzentrum. Ich glaub die haben auch ein Internetcafé, das noch offen haben müsste.“
Besser als gar nichts. „Wo liegt das genau?“
Schweigend lauschte ich ihrer Beschreibung, und erhob mich dann eilig mit einem gemurmelten „Danke.“ Ich hatte noch nicht mal die Küchentür erreicht, da waren die anderen Vier schon hinter mir.
„Erklärst du mir, was das alles soll? Was hast du vor?“, fragte Kian.
Alina und Ayden spitzten die Ohren, und gaben unison ein genervtes Seufzen von sich, als ich sagte: „Ich gehe jetzt in mein Zimmer, und hole mir Schuhe.“
„Und dann?“, wollte Alina wissen. Sie beeilte sich an meine Seite zu kommen, als ich im Korridor zu unseren Zimmern abbog. „Dann gehe ich ins Internetcafé.“
Jetzt bekam ich von drei Seiten ein frustrierendes Geräusch. Man, war diese Bagage neugierig.
„Und wozu das alles?“, fragte Alina sehr nachdrücklich.
„Ich habe vielleicht einen Anhaltspunkt wie ich meine Eltern finden kann.“
°°°
Das kleine Internetcafé hatte trotz der späten Stunde wirklich noch offen. Es war gemütlich eingerichtet, wie ein normales Café. Holz und Brauntöne dominierten den Raum, in dem viele runde Tische standen, mit je vier Computern. Doch als ich an den Tresen ging, um mit einen PC zuweisen zu lassen, tat sich die erste Hürde vor mir auf: Geld. Natürlich kostete die Benutzung der Computer Geld, nicht viel, aber ich hatte gar keines bei mir.
„Hier“, sagte Ayden, und hielt mir einen Zehner vor die Nase.
Erstaunt sah ich ihn an. „Wo hast du das den her?“
Er zuckte nur die Schultern. „Ich habe mein Portemonnaie eingesteckt, bevor Cio uns zum Wagen gebracht hat.“
In dem Chaos hatte er wirklich noch an seine Brieftasche denken können? Da blieb mit gar nichts anderes übrig, als fassungslos den Kopf zu schütteln. Aber wie hieß es doch gleich so schön? Einem geschenkten Gaul schaute man nicht ins Maul. Ich schnappte mir den Zehner, ließ mir von dem Angestellten Computer 17 geben, und kaum dass ich auf meinem Hintern saß, flogen meine Finger schon über die Tastatur.
Die anderen schnappten sich Stühle, und setzten sich damit im Kreis um mich herum, um auch ja nichts zu verpassen – so jedenfalls kam es mir vor.
Die Übersetzung war schnell rausgefunden. Scar bedeutete „Narbe“, nur leider konnte ich mit diesem Wort nicht viel anfangen. Was hatte eine Narbe mit meinen Eltern zu tun? Grübelnd lehnte ich mich auf meinen Stuhl zurück, und ignorierte die vier neugierigen Blicke, die über meine Schultern auf den
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