Vergangene Narben
weiß er es ja noch.“ Das war meine einzige Hoffnung.
„Dir ist schon klar, dass du für mich gerade in Rätseln sprichst?“
„Pass auf. Ich hatte die ganze Zeit recht, es ist wirklich meine Schuld, dass meine Eltern entführt wurden. Ich …“
„Das ist doch Blödsinn“, unterbrach er mich. „Ich habe dir schon gesagt, dass …“
„Lass mich ausreden!“, verlangte ich. Und ob es nun an meinem Ton, oder an meinen Worten lag, er hielt wirklich seine Klappe. „Fujo hat es mir gesagt, als dein Vater uns heute Morgen aus dem Schloss gebracht hat. Ouers bedeutet Eltern, sie hat es mir zugerufen, aber ich weiß nicht mehr was sie noch gesagt hat. Es ging alles so schnell. Darum muss ich zu Kian, er war dabei, vielleicht erinnert er sich daran. Und dann brauche ich einen Computer, wegen der Übersetzung.“ Ich drückte kurz die Lippen aufeinander, während die Gedanken in meinem Kopf rasten. „Die anderen Wörter müssten den Aufenthaltsort meiner Eltern bedeuten, darum muss ich sie unbedingt wissen.“ Warum ich nur nicht vorher darauf gekommen war, war mir schleierhaft. Stattdessen hatte ich meine Zeit mit Schuldgefühlen, Bluttrinken, und Schlafen verplempert. Aber jetzt hatte ich einen Anhaltspunkt, und diesen würde ich auch nutzen.
Cio sah mich zweifelnd an. „Und auf dieser wagen Vermutung baust du deinen Verdacht auf? Ich sag es dir ja nur ungern, aber der ist so wacklig, dass der beim kleinesten Windhauch zusammenfällt. Wenn du dich unbedingt schuldig fühlen willst, okay, aber …“
Als ich zu ihm herumfuhr, blieb er abrupt stehen. Wütend funkelte ich ihn an. „Diese Vermutung ist weder wage noch wacklig!“, zischte ich ihn an. Sah er den die Wahrheit in den Worten nicht? „Jahrelang, mein ganzes Leben lang, waren wir sicher, bis ich in den Hof gekommen bin. Ich habe mich mit Fujo über meine Mutter unterhalten, wusstest du das?! Ich habe sie und ihre Sicherheit verraten, und es noch nicht einmal gemerkt! Fujo muss ihrem Großvater alles erzählt haben, oder willst du das etwa bestreiten?!“
„Ich sage ja nicht, dass die Möglichkeit nicht besteht, ich sage nur …“
„Das ist mehr als nur eine Möglichkeit!“, fuhr ich ihn an. „Es kann doch kein Zufall sein, dass ich im Hof war und mich mit Fujo angefreundet hab, und plötzlich Therianthropen vor unserer Tür stehen. Ich habe sie zu meinen Eltern geführt, ohne es zu merken, und jetzt muss ich einen Weg finden sie zu befreien! Dafür brauche ich Kian und einen PC. Wenn du mir helfen willst, tu es, wenn nicht, steh mir nicht im Weg, ich habe zu tun, denn ich bin hier scheinbar die einzige, die es interessiert, was mit meinen Eltern passiert ist! Ja, ich versteh schon, im Moment haben alle viel zu tun, die ganze Situation ist scheiße, aber ich kann nicht einfach weiter tatenlos rumsitzen, und nichts tun außer hoffen, wenn ich sie vielleicht finden kann. Deswegen behalt deine blöden Kommentare und Einwürfe für dich, denn ich weiß dass der ganze Scheiß auf meinem Mist gewachsen ist, und dein Schönreden macht es nicht besser!“
Einen Moment sah Cio mich völlig regungslos an – tja, damit dass ich meine Klappe auch mal so aufriss, hätte er wohl nicht gerechnet. Nur einen Moment, dann, ganz langsam, breitete sich ein atemberaubendes Lächeln auf seinen Lippen aus, das mich schlucken ließ. „Ich hätte ja nicht geglaubt, dass du so aufbrausend sein kannst.“ Er zwinkerte mir zu. „Das find ich echt heiß!“
Seufz. Eigentlich hätte ich mir denken können, dass da sowas bei rauskommt. Da hätte ich mir meine Worte gleich schenken können. Cio konnte einfach nicht ernst bleiben. Diego hatte schon recht, dieser Kerl ließ sich einfach zu leicht ablenken, und von Nebensächlichkeiten gefangen nehmen.
Grummelnd wandte ich mich von ihm ab, und bog um die Ecke zur Küche. Die Essensgerüche wehten mir bereits entgegen.
Cio beeilte sich wieder an meine Seite zu kommen. „Und was machen wir jetzt?“
Wir? Hatte er mir eben nicht noch erklärt, dass ich mir das alles nur einbildete? „Ich werde jetzt mit Kian reden, und hoffen dass er sich daran erinnert, was Fujo noch gesagt hat.“ Direkt vor der Küche zögerte ich einen Moment, schließlich lief hier irgendwo noch dieses Monster auf acht Beinen herum. Aber dann gab ich mir einen Ruck. Ich war schließlich ein halber Werwolf, da sollte ich mich von so einem kleinen Krabbelvieh nicht in die Flucht schlagen lassen. Trotzdem behielt ich meine Umgebung kritisch im Auge, als ich durch
Weitere Kostenlose Bücher