Vergangene Narben
Bildausschnitt einen Moment verharrte. In meinem Kopf klingelte es. Irgendwie kam mir diese Frau bekannt vor, nur wo hatte ich sie schon mal gesehen? Ich glaubte nicht, dass ich ihr schon einmal persönlich begegnet war. Vielleicht ja von einem Foto?
Es wurmte mich, dass ich nicht darauf kam, daher spulte ich den Film ein wenig zurück, und ließ ihn dann auf dem Bild der Frau verharren. Lange, schwarze Haare, braune Augen, die kalt und leblos vor sich hinstarrten. Sie war ziemlich abgemagert, viel zu dünn für ihre Größe. Mit ein bisschen mehr auf den Rippen, würden die Züge viel weicher und angenehmer wirken. Wenn sie nur … und da kam mir die Erleuchtung. Natürlich, ich hatte sie schon einmal gesehen, damals, als ich einen Stammbaum meiner Familie angefertigt hatte.
Cio beugte sich auch ein wenig vor. Sah erst auf das Bild, und dann fragend zu mir. „Was ist?“
„Prinzessin Naomi“, hauchte ich leise. Aber wie war das möglich? Mir wurde erzählt sie sei schon vor überzwanzig Jahren gestorben. Und auch alle Artikel die ich in Internet gefunden hatte, wiesen darauf hin. Aber dort stand sie, wahrhaftig. Es gab keinen Zweifel, dass war Prinzessin Naomi, oder besser gesagt, Gräfin Naomi.
Ich merkte erst nach ein paar Sekunden, dass es im Raum plötzlich ganz ruhig geworden war, und brauchte noch ein paar mehr, um mir klar darüber zu werden, dass aller Augen im Raum auf mir lagen. Von Fassungslos, bis Verwirrt war alles dabei.
Ich machte den Mund auf, schloss ihn aber gleich wieder, und warf einen unsichereren Blick zu Cio. Hatte ich was falsch gemacht?
Cheyenne löste sich aus Sydneys Armen. Die Augen vor Unglauben weit aufgerissen, drehte sie sich zu mir um, und starrte mich an, als sei ich ein Gespenst. „Was hast du eben gesagt?“
„Ich …“ Ich zögerte, warf noch einen Blick auf den Monitor, und trat vorsichtig einen weiteren Schritt zurück. „Prinzessin Naomi. Das hab ich gesagt. Die Frau da, die Schwarzhaarige.“ Fahrig zeigte ich auf das Standbild des Bildschirms. „Das ist deine Cousine. Naomi.“ Den letzten Teil brachte ich ziemlich leise raus, unsicher.
Cheyenne warf einen Blick auf das Bild, leckte sich über die Lippen, und schüttelte dabei den Kopf. „Nein, das kann nicht sein, das ist nicht möglich. In dem Kästchen … ihr Haar, und das Blut.“ Unaufhörlich schüttelte sie den Kopf, als könnte die Wahrheit damit verschwinden. Ihr Blick war dabei seltsam unstet. „Er hat es mir geschrieben. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Er hat es geschrieben. Dennis ist tot, und er hat es geschrieben. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Sie ist tot!“ Den letzten Teil schrie sie hinaus.
Vorsichtig griff Sydney nach Cheyennes Hand, als wollte er sie nicht verschrecken. „Liebes, du …“
„Auge um Auge, Zahn um Zahn!“, schrie sie ihm ins Gesicht. Sie war blass, und zitterte am ganzen Körper. „Ich habe Dennis getötet, er hat sie getötet. Das bedeutet es!“ Sie drückte ihre Faust gegen den Nasenrücken. „Er kann doch nicht die Spielregeln ändern. Das geht nicht. Sie ist tot, sie muss tot sein!“
„Cheyenne“, begann Sydney erneut. „Du …“
„NEIN!“
Bei dem Schrei zuckte ich heftig zusammen, konnte aber nichts weiter tun als sie anstarren. Ihr heftiger Atem, die zitternden Hände. Ich Blick huschte von einem zum anderen, dann wieder zum Monitor, nur um dann eilig aus dem Raum zu laufen.
Natürlich folgte Sydney ihr sofort, und auch Diego blieb nicht bei uns in der Küche. Ich konnte sie im Nebenraum schreien hören, irgendwelches wirres Zeug, das keinen Sinn ergab. Und sie ließ sich auch nicht von Sydneys sanften Worten beruhigen, wurde immer lauter.
Ich verstand es nicht. Warum tickte sie bei der Erkenntnis dass ihre Cousine noch lebte so dermaßen aus? Mein Blick glitt wieder auf den Monitor. Eigentlich war es doch eine gute Nachricht, dass sie noch lebte, oder? Aber was machte sie dann bei der Gräfin?
Ich beugte mich ein wenig vor, sah mir das Bild genauer an, als würde ich damit eine Antwort bekommen. Dabei nahm ich zum ersten Mal den Hintergrund wahr. Ein Baum, und in diesem Baum saß jemand, oder bildete ich mir das ein? Nein, da war wirklich jemand. Ein junges Mädchen, das alles aus sicherer Entfernung beobachtete. „Fujo“, flüsterte ich, und plötzlich erinnerte ich mich daran, wann ich sie zuletzt gesehen hatte. Oben an der Galerie im Schlafhemd mit weit aufgerissenen Augen. Sie hatte mir etwas zugerufen. Aber was war das nur gewesen?
Angestrengt kramte ich in
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