Vergangene Schatten
war ihr auch diesmal nicht hold. Matt kam den ganzen Tag nicht nach Hause. Um acht Uhr abends saß Carly mit Hugo auf der Couch, während Annie zu ihren Füßen döste und Mike Toler in Uniform neben ihr saß und fernsah. Und so musste sie zusehen, wie zuerst Sandra mit Antonio wegging, danach Lissa mit Andy und schließlich Dani mit Craig. Zuletzt kam noch Erin herunter, um auf Collin zu warten, der sich etwas verspätete, was, wie Carly bereits festgestellt hatte, bei ihm nicht ungewöhnlich war.
Erin ging unruhig im Wohnzimmer auf und ab, bis sie schließlich stehen blieb, die Hände in die Hüften stemmte und zu Carly und Mike hinübersah, die nebeneinander auf der Couch saßen. Mike hatte die Arme vor der Brust verschränkt und verfolgte mit mürrischer Miene das Fernsehprogramm. Er schien ungefähr genauso viel Lust zu haben, den Abend mit Carly zu verbringen, wie sie mit ihm.
»Ihr zwei schaut nicht gerade glücklich drein«, stellte Erin kopfschüttelnd fest. »Wo steckt denn Matt bloß so lange? Carly, du solltest ihn anrufen und überreden, dass er mit dir ausgeht. Und was dich betrifft«, fügte sie zu Mike gewandt hinzu, »kennst du denn keine hübschen Mädchen? Ich meine, solche, die noch nicht vergeben sind?«
»Ich bin im Dienst«, erwiderte Mike kurz angebunden, ohne sie anzusehen. Erin sah ihn stirnrunzelnd an. Carly verfolgte den Wortwechsel mit einigem Interesse. Schließlich wandte sich Erin ihr zu und sah sie fragend an.
»Matt ist auch im Dienst«, sagte Carly. »Und wenn er's nicht wäre, würde er trotzdem nicht mit mir ausgehen. Ich habe es dir ja schon gesagt, wir sind nur gute Freunde. Wir haben keine Beziehung oder etwas in der Art.«
Erin und Mike sahen sie skeptisch an.
»Außerdem hat er sowieso viel zu viel zu tun«, wehrte Carly ab.
»Er hält sich absichtlich von dir fern«, stellte Erin fest. »Lissa, Dani und ich haben ihn neulich damit aufgezogen, dass er in dich verliebt ist. Ich glaube, wir haben ihm damit ein wenig Angst gemacht.«
»Matt ist nicht in mich verliebt«, stellte Carly fest. Sie dachte kurz darüber nach und blickte dann zu Erin auf, die, wie sie bereits festgestellt hatte, ihren Bruder ziemlich gut kannte. »Oder vielleicht doch?«
Erin zuckte die Achseln. »Bei Matt kann man das nicht so leicht sagen. Wir glauben schon, dass er's ist. Er ist so anders, wenn du da bist. So beschützend. Natürlich kommandiert er trotzdem gerne herum, aber irgendwie netter. Und er hat oben bei dir geschlafen, obwohl wir auch im Haus waren. So etwas hat es noch nie gegeben.«
»Ah, also, ich glaube, das geht mich nicht wirklich etwas an«, sagte Mike peinlich berührt - doch die beiden Frauen beachteten ihn gar nicht.
»Ich hatte einen Albtraum«, sagte Carly, zu Erin gewandt. »Es ist nichts passiert.«
»Aber gerade das sagt schon einiges. Glaubst du denn, dass das öfter vorkommt, dass er mit einer Frau im selben Bett schläft und nichts passiert? Trotzdem kann ich mir sein Verhalten nicht ganz erklären. Weißt du, er hat da so ein Bindungsproblem. Wenn er das Gefühl hätte, dass er dabei ist, sich zu verlieben, dann würde er sofort Reißaus nehmen.«
»Dass er Reißaus nimmt, heißt noch lange nicht, dass er das Gefühl hat, sich zu verlieben«, erwiderte Carly. »Es ist einfach so seine Art. Er küsst eine Frau und dann haut er wieder ab - so sehe ich das.«
Erin lachte. »Hast du ihm das auch schon gesagt?«
Carly nickte.
»War das bevor oder nachdem er dich in seinem Büro geküsst hat?«
Ein Lächeln erschien auf Carlys Lippen. »Es muss ungefähr zu der Zeit gewesen sein, glaube ich.«
»Siehst du, das finde ich gut. Genau das braucht er nämlich. Jemanden, der ihm die Stirn bietet. Matt ist der beste Bruder, den man sich vorstellen kann - ich meine, er hat praktisch sein Leben für uns geopfert aber er kann manchmal ein bisschen bevormundend sein. Außerdem hat er nie einen Finger rühren müssen, um ein Mädchen zu bekommen. Er braucht einfach nur da zu sein, und schon wird er von Mädchen umschwärmt. Also, dich meine ich nicht damit.«
»Ich habe ihn genauso umschwärmt wie alle anderen«, gestand Carly. »Das hat schon vor zwanzig Jahren angefangen.«
Erin zuckte grinsend die Schultern. »Na ja, dann weißt du ja, was ich meine. Aber in deinem Fall dürfte es geklappt haben. Zu dir ist er anders als zu allen anderen. Bei dir geht es ihm nicht nur um Sex.«
»Also, ich glaube eigentlich nicht, dass mich das irgendetwas angeht«, warf Mike erneut
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