Vergangene Zukunft
nötig war, dabei einzugreifen. Der Mechano war angewiesen, darauf zu achten, daß Mrs. Hanshaws Sohn duschte, frische Kleider anzog und ein nahrhaftes Frühstück zu sich nahm. Die Tergo-Dusche, die Mrs. Hanshaw vor einem Jahr hatte installieren lassen, beschleunigte das morgendliche Waschen und Abtrocknen auf so angenehme Weise, daß sie sicher sein konnte, Dickie würde auch ohne Beaufsichtigung duschen.
An einem solchen Morgen, wenn sie so beschäftigt war, würde es sicher genügen, wenn sie dem Jungen einmal kurz auf die Wange klopfte, bevor er das Haus verließ. Sie hörte das sanfte Läuten, mit dem der Mechano anzeigte, daß die Schule bald beginnen würde, und fuhr mit dem Lift eine Etage tiefer (das Haar vorerst nur andeutungsweise in die geplante Tagesfrisur gelegt), um ihren Mutterpflichten nachzukommen.
Richard stand am Tor, die Schul-Filmspulen und den Taschenprojektor an einem Riemen um die Schulter gehängt, und runzelte die Stirn.
»Hör mal, Mammy«, sagte er und blickte auf, »ich habe die Schule angewählt, aber es passiert nichts.«
Fast automatisch sagte sie: »Unsinn, Dickie. Das gibt es doch gar nicht.«
»Dann versuch du es doch.«
Mrs. Hanshaw wählte die Nummer. Seltsam, der Schuleingang war doch stets frei, damit er ständig angewählt werden konnte. Sie versuchte einige andere Nummern. Es konnte natürlich sein, daß die Tore ihrer Freunde nicht auf Empfang eingestellt waren, aber da würde doch ein Signal ertönen.
Aber nichts geschah. Das Tor blieb eine undurchdringliche Barriere, all ihren Manipulationen zum Trotz. Offensichtlich funktionierte es nicht mehr – und dabei waren erst fünf Monate seit der jährlichen Inspektion durch die Firma vergangen.
Mrs. Hanshaw war ziemlich ärgerlich.
Gerade an einem Tag, da sie so beschäftigt war, mußte das passieren! Verdrießlich dachte sie daran, daß sie vor einem Monat beschlossen hatte, kein Nebentor installieren zu lassen, um die unnötigen Kosten zu vermeiden. Wie hatte sie denn wissen können, daß ein Tor plötzlich nicht mehr funktionieren würde?
Sie ging zum Visiphon, immer noch wütend, und sagte zu Richard: »Dann wirst du eben über die Straße gehen und Williamsons’ Tor benutzen.«
Ironischerweise sträubte sich Richard, wie um ihr einen Vorgeschmack auf seine spätere Entwicklung zu geben.
»Aber, Mama! Da mache ich mich doch schmutzig. Kann ich nicht daheimbleiben, bis das Tor repariert ist?«
Aber ebenso ironischerweise bestand Mrs. Hanshaw auf ihrem Befehl. Ihr Finger lag bereits auf der Wählscheibe des Visiphons, als sie sagte: »Du wirst dich nicht schmutzig machen, wenn du dir Schmutzabweiser über die Schuhe ziehst. Und vergiß nicht, dich abzuputzen, bevor du ihr Haus betrittst.«
»Ach, Mammy …«
»Keine Widerrede, Dickie! Du mußt in die Schule. Ich werde dir zusehen, wenn du hinausgehst. Aber schnell, sonst kommst du zu spät!«
Der Mechano, ein fortschrittliches, sehr verantwortungsbewußtes Modell, stand bereits vor Richard und hielt die Schmutzabweiser in seiner Metallhand.
Richard zog die transparenten Plastikhüllen über seine Schuhe und ging mit sichtbarem Widerstreben durch die Halle.
»Ich weiß nicht einmal, wie man das macht, Mammy.«
»Du mußt nur auf den roten Knopf drücken, dort wo du das Schild ›Für Notfälle‹ siehst. Und trödle nicht herum. Oder willst du, daß der Mechano mit dir geht?«
»Um Himmels willen, nein!« rief er mürrisch zurück. »Ich bin doch kein Baby mehr. Glaubst du denn …« Seine weiteren Worte gingen in einem lauten Türschlagen unter.
Mit fliegenden Fingern drehte Mrs. Hanshaw die Wahlscheibe des Visiphons und dachte sich dabei aus, was sie der Firma alles erzählen wollte.
Joe Bloom, ein sehr vernünftiger junger Mann, der eine technische Hochschule mit zusätzlichen Lehrgängen für Kräftefeld-Mechanik besucht hatte, traf in weniger als einer halben Stunde bei Mrs. Hanshaw ein. Er war wirklich ein Fachmann, obwohl Mrs. Hanshaw mit sichtlichem Mißtrauen feststellte, daß er noch sehr jung war.
Sie öffnete die bewegliche Türfüllung, als sie ihn klingeln hörte, und da stand er und bürstete heftig an sich herum, um den Staub der frischen Luft von seinen Kleidern zu entfernen. Er zog die Schmutzabweiser von den Schuhen, ließ sie fallen, wo er stand, und trat ein. Mrs. Hanshaw schloß sofort die Türfüllung, um dem blendend hellen Sonnenlicht den Zugang zu verwehren. Sie hoffte inständig, daß der Fußweg von der Firma bis zu
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