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Vergangene Zukunft

Vergangene Zukunft

Titel: Vergangene Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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meinen, Sie haben gesehen, wie er das Tor benutzt hat?«
    »Nein«, sagte Mrs. Hanshaw schnell. »Unser Tor hat für kurze Zeit nicht funktioniert, und da habe ich ihn zu einem Nachbarn geschickt, damit er dessen Tor benutzt.«
    »Sind Sie ganz sicher?«
    »Natürlich bin ich sicher. Sie glauben doch nicht, daß ich Sie anlüge!«
    »Nein, nein, Mrs. Hanshaw, das wollte ich natürlich nicht damit sagen. Ich meinte, sind Sie sicher, ob er den Weg zum Nachbarn auch gefunden hat? Er hätte sich ja verirren können.«
    »Das ist lächerlich. Wir haben genaue Straßenkarten, und ich bin überzeugt, daß Richard weiß, wo sich jedes Haus in Distrikt A-3 befindet.« Mit dem selbstsicheren Stolz einer Mutter, die weiß, was ihre Pflicht ist, fügte sie hinzu: »Nicht daß er dieses Wissen jemals gebraucht hätte, natürlich. Bisher hat das Tor stets funktioniert.«
    Miß Robbins kam aus einer Familie, die sich den Gebrauch ihres Eingangs sehr genau hatte einteilen müssen (die Betriebskosten waren sehr hoch) und sie hatte als Kind weite Strecken zu Fuß laufen müssen. Deshalb ärgerte sie sich über Mrs. Hanshaws hochmütigen Tonfall und erwiderte mit fester Stimme: »Nun, ich fürchte, Mrs. Hanshaw, Dick hat das Tor des Nachbarn nicht benutzt. Er kam fast eine Stunde zu spät zur Schule, und der Zustand seiner Schmutzabweiser ließ ziemlich deutlich erkennen, daß er querfeldein getrampt ist. Sie waren schmutzig.«
    »Schmutzig? Was hat er gesagt? Womit hat er sich entschuldigt?«
    Miß Robbins konnte nicht anders. Es bereitete ihr Vergnügen, die andere Frau so aufgeregt zu sehen.
    »Er wollte nicht darüber sprechen: Offen gesagt, Mrs. Hanshaw, ich habe den Eindruck, daß er krank ist. Deshalb habe ich Sie angerufen. Vielleicht sollte ein Arzt nach ihm sehen.«
    »Hat er Fieber?« Die Stimme der besorgten Mutter klang immer schriller.
    »Das nicht. Ich glaube, er ist nicht krank im physischen Sinn. Nur seine ganze Art und sein Blick …« Sie zögerte, dann sagte sie vorsichtig: »Vielleicht würde eine Routineuntersuchung bei einem Psychiater …«
    Sie konnte den Satz nicht beenden. Mit frostiger Stimme, die so beleidigend klang, wie ihre gute Erziehung es zuließ, fragte Mrs. Hanshaw: »Wollen Sie damit etwa andeuten, daß Sie Richard für einen Neurotiker halten?«
    »Oh, nein, Mrs. Hanshaw. Aber …«
    »Es hörte sich aber so an. Allein der Gedanke! Er war immer völlig gesund. Ich werde die Angelegenheit mit ihm besprechen, wenn er nach Hause kommt. Ich bin überzeugt, daß er mir eine ganz normale, einleuchtende Erklärung für sein Verhalten geben kann.«
    Die Verbindung wurde abrupt unterbrochen, und Miß Robbins fühlte sich verletzt. Sie hatte doch nur versucht zu helfen. Sie blickte auf die große Wanduhr in der Halle und eilte ins Klassenzimmer zurück. Die Englischstunde begann in wenigen Minuten.
    Aber ihre Gedanken waren nicht ganz bei der Englischstunde. Automatisch rief sie die Schüler auf und ließ kleine Absätze aus ihren Englisch-Aufsätzen vorlesen. Gelegentlich nahm sie einige der Passagen auf Tonband auf und ließ sie durch den Vokalisator laufen, um ihren Schülern zu demonstrieren, wie man Englisch las.
    Die mechanische Stimme des Vokalisators ließ wie stets ihr perfektes Englisch ertönen, aber es fehlte ihr wie immer jeder Ausdruck. Manchmal fragte sich Miß Robbins, ob es richtig war, den Schülern eine Aussprache einzutrichtern, der es an Individualität mangelte, die zu völlig eintöniger, undifferenzierter Akzentuierung und Intonation führen mußte.
    Aber heute waren ihre Gedanken woanders. Sie beobachtete Richard Hanshaw. Er saß ruhig auf seinem Platz und merkte offensichtlich nichts von seiner Umwelt. Er war ganz in sich versunken und schien sich in einen fremden Jungen verwandelt zu haben. Er mußte an diesem Morgen irgendeine außergewöhnliche Erfahrung gemacht haben. Sicher hatte sie richtig gehandelt, als sie seine Mutter angerufen hatte, obwohl sie natürlich nicht diese Bemerkung über die psychiatrische Untersuchung hätte machen sollen. Andererseits war das heutzutage gar nichts Besonderes. Viele Leute unterzogen sich einer psychiatrischen Routineuntersuchung. Das war gar keine Schande. Wenigstens sollte man es nicht als solche betrachten.
    Schließlich rief sie Richard auf. Sie mußte seinen Namen zweimal sagen, bevor er aufstand und antwortete.
    Das Aufsatzthema lautete: »Wenn du auf einem altertümlichen Fahrzeug eine Reise unternehmen könntest, welches würdest du

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