Vergebung
vorhatte, sich auch nur eine Sekunde um seine Existenz zu kümmern.
»Polizeiinspektorin Gunilla Wäring begleitet Sie nach Stockholm«, erklärte Erlander.
»Aha«, sagte Faste. »Dann fahren wir doch gleich. Es gibt da eine Menge Leute, die sich mal ernsthaft mit Ihnen unterhalten wollen, Salander.«
Erlander verabschiedete sich von ihr. Sie ignorierte ihn.
Der Einfachheit halber hatten sie beschlossen, die Gefangene mit einem Dienstwagen nach Stockholm zu überführen. Gunilla Wäring saß am Steuer. Am Anfang saß Hans Faste auf dem Beifahrersitz und drehte den Kopf fortwährend nach hinten, um mit Lisbeth Salander zu reden. Kurz vor Alingsås hatte er einen steifen Nacken und gab es auf.
Lisbeth betrachtete die Landschaft, die an ihrem Fenster vorbeizog. Es war, als käme Faste in der Welt ihrer Wahrnehmungen gar nicht vor.
Teleborian hat recht. Die ist ja total zurückgeblieben, dachte Faste. Aber in Stockholm werden wir sie schon zum Reden bringen.
In regelmäßigen Abständen warf er ihr verstohlene Blicke zu und versuchte sich ein Bild von der Frau zu machen, die er so lange gejagt hatte. Sogar Hans Faste kamen gewisse Zweifel, als er das zierliche Mädchen sah. Er fragte sich, wie viel sie eigentlich wog. Dann fiel ihm ein, dass sie lesbisch und sowieso keine richtige Frau war.
Es war hingegen möglich, dass das mit dem Satanismus eine leichte Übertreibung war. Sie sah wirklich nicht besonders dämonisch aus.
Es war eine Ironie des Schicksals, dass er sie lieber für die drei Morde gefasst hätte, derer sie ursprünglich verdächtigt worden war, aber nun hatte die Wirklichkeit seine Ermittlungen eben überholt. Sogar ein zierliches Mädchen konnte mit einer Pistole umgehen. Und dass sie dem Anführer des Svavelsjö MC schwere Körperverletzungen zugefügt hatte, stand außer Frage.
Monica Figuerola weckte Mikael Blomkvist gegen ein Uhr mittags. Sie hatte auf dem Balkon das Buch über das Gottesbild der Antike zu Ende gelesen, während sie Mikaels Schnarchen aus dem Schlafzimmer lauschte. Es war richtig friedlich gewesen. Als sie Mikael ansah, wurde ihr bewusst, dass er sie stärker anzog als jeder andere Mann in den letzten Jahren.
Das war ein angenehmes, aber auch beunruhigendes Gefühl. Mikael Blomkvist erweckte nicht den Anschein, als könnte er ein stabiler Teil ihres Lebens werden.
Kurz darauf schlenderten sie an den Norr Mälarstrand und tranken Kaffee. Danach schleifte sie ihn nach Hause und hatte den Rest des Nachmittags Sex mit ihm. Er verließ sie gegen sieben Uhr abends. In dem Moment, als er ihr einen Kuss auf die Wange gab und die Tür hinter sich zuzog, fehlte er ihr schon wieder.
Am Sonntagabend gegen acht Uhr stattete Susanne Linder Erika Berger einen Besuch ab. Sie wollte sich erkundigen, ob alles in Ordnung war, und fand Erika und ihren Mann schweigsam und in gedämpfter Stimmung vor. Es schien, als hätten sie den ganzen Sonntag über ernste Dinge geredet.
Greger Backman setzte Kaffee auf. Susanne Linder war erst ein paar Minuten bei ihnen, da piepte Erikas Handy.
Erika hatte an diesem Tag jedes Gespräch mit einem Gefühl entgegengenommen, als könnte es ihr Untergang sein.
»Berger.«
»Hallo, Ricky.«
Mikael. Verdammter Mist. Ich hab ihm immer noch nicht erzählt, dass der Borgsjö-Ordner verschwunden ist.
»Hallo, Micke.«
»Lisbeth ist heute Abend ins Untersuchungsgefängnis gekommen.«
»Verstehe.«
»Sie hat mir … eine Mitteilung für dich geschickt.«
»Ach ja?«
»Sie ist sehr kryptisch.«
»Was denn?«
»Sie schrieb, der Giftstift sei Peter Fredriksson.«
Erika blieb zehn Sekunden lang sprachlos sitzen, während die Gedanken sich in ihrem Kopf überschlugen. Unmöglich. So einer ist Peter nicht. Salander muss sich irren.
»Sonst noch was?«
»Nein. Das war die ganze Mitteilung. Verstehst du, was gemeint ist?«
»Ja.«
»Ricky, was habt ihr da eigentlich am Laufen, Lisbeth und du?«
»Danke, Micke. Wir reden später weiter.«
Sie schaltete ihr Handy aus und sah Susanne Linder verwirrt an.
»Erzählen Sie«, sagte Susanne Linder.
Susanne Linder hatte widerstreitende Gefühle. Erika Berger hatte plötzlich die Nachricht erhalten, dass ihr Redaktionssekretär Peter Fredriksson der Giftstift war. Die Worte waren nur so aus ihr herausgesprudelt, als sie erzählte. Dann fragte Susanne Linder, woher sie wisse, dass Fredriksson der Stalker war.
Auf einmal wurde Erika Berger ganz still. Susanne Linder beobachtete ihre Augen und sah,
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