Vergebung
Schlagstock hinten in den Hosenbund. Sie vergewisserte sich, dass sie die Tränengaspatrone in der rechten Jackentasche hatte und die Schnürsenkel ihrer Turnschuhe fest zugebunden waren. Dann ging sie zurück zu Erika Bergers Haus und schlich sich auf das Grundstück.
Sie wusste, dass der Bewegungsmelder hinterm Haus noch nicht installiert war, und überquerte lautlos den Rasen direkt neben der Hecke, die das Grundstück begrenzte. Sie konnte ihn nicht sehen. Als sie ums Haus ging und stehen blieb, entdeckte sie ihn plötzlich wie einen Schatten im Dunkel bei Greger Backmans Atelier.
Er versteht nicht, wie dumm es von ihm ist, wiederzukommen. Er kann einfach nicht wegbleiben.
Zusammengekauert saß er in der Hocke und versuchte, durch einen Schlitz in der Gardine in das Zimmer neben dem Wohnzimmer zu spähen. Dann schlich er auf die Veranda und blickte durch einen Spalt der heruntergelassenen Jalousien neben dem großen Panoramafenster, das immer noch mit Sperrholz zugenagelt war.
Auf einmal musste Susanne Linder lächeln.
Während er sich durch den Garten bis an die Hausecke schlich, wandte er ihr die ganze Zeit den Rücken zu. Sie versteckte sich hinter ein paar Johannisbeersträuchern an der Giebelseite und wartete ab. Durch die Zweige konnte sie seine Umrisse erkennen. Von seinem Platz aus konnte Fredriksson vermutlich den Flur und auch einen Teil der Küche sehen. Er hatte offenbar etwas Interessantes zum Angucken entdeckt, und es dauerte zehn Minuten, bis er sich wieder bewegte. Er näherte sich ihr.
Als er um die Ecke bog und an ihr vorbeikam, stand Susanne Linder auf und sagte ganz leise:
»Guten Abend, Herr Fredriksson.«
Er blieb stehen und fuhr herum.
Im Dunkeln konnte sie seine Augen glitzern sehen. Seinen Gesichtsausdruck konnte sie nicht erkennen, aber sie hörte, dass ihm vor Schreck der Atem weggeblieben war.
»Wir können das hier auf die einfache Art oder auf die schwere Art machen«, sagte sie. »Wir gehen jetzt zu deinem Auto und …«
Er drehte sich um und wollte losrennen.
Susanne Linder hob ihren Schlagstock und versetzte ihm einen äußerst schmerzhaften Hieb auf die Außenseite seines linken Knies.
Er stürzte mit halb ersticktem Laut.
Sie hob den Stock zu einem weiteren Schlag, hielt dann jedoch inne. Ihr war, als könne sie Armanskijs Augen auf ihrem Rücken spüren.
Sie bückte sich, drehte ihn auf den Bauch und drückte ihm ein Knie ins Kreuz. Dann packte sie seine rechte Hand, bog sie ihm auf den Rücken und legte ihm Handschellen an. Er war schwach und leistete keinerlei Widerstand.
Erika Berger machte die Lampe im Wohnzimmer aus und hinkte in den ersten Stock. Die Krücken brauchte sie nicht mehr, aber ihre Fußsohle tat immer noch weh, wenn sie sie belastete. Greger Backman löschte das Licht in der Küche und ging seiner Frau hinterher. Er hatte sie noch nie so unglücklich gesehen. Nichts, was er sagte, schien sie beruhigen oder ihre Angst mildern zu können.
Sie zog sich aus, kroch ins Bett und drehte ihm den Rücken zu.
»Es ist nicht deine Schuld, Greger«, sagte sie, als sie hörte, wie er ins Bett stieg.
»Es geht dir nicht gut«, sagte er. »Ich will, dass du ein paar Tage zu Hause bleibst.«
Er legte ihr einen Arm um die Schultern. Sie versuchte zwar nicht, ihn wegzuschieben, aber sie blieb ganz passiv. Er beugte sich vor, küsste sie auf den Hals und nahm sie fest in den Arm.
»Es gibt nichts, was du sagen oder tun könntest, um mir die Situation zu erleichtern. Ich weiß, dass ich eine Pause brauche. Ich fühle mich, als wäre ich auf einen Schnellzug aufgesprungen und hätte auf einmal gemerkt, dass er in die falsche Richtung fährt.«
»Wir könnten doch ein paar Tage zum Segeln rausfahren. Mal ganz weg von allem.«
»Nein. Ich kann nicht ganz weg von allem.«
Sie drehte sich zu ihm um.
»Fliehen wäre überhaupt das Schlimmste, was ich jetzt tun könnte. Ich muss meine Probleme lösen. Danach können wir wegfahren.«
»Okay«, sagte Greger. »Ich bin dir momentan sicher keine große Hilfe.«
Sie lächelte schwach.
»Nein. Bist du nicht. Aber danke, dass du hier bist. Ich liebe dich wahnsinnig, das weißt du.«
Er nickte.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass es Peter Fredriksson ist«, sagte sie. »Ich habe bei ihm niemals auch nur die geringste Feindseligkeit bemerkt.«
Susanne Linder überlegte gerade, ob sie bei Erika Berger klingeln sollte, da sah sie, wie das Licht im Erdgeschoss ausging. Sie blickte auf Peter Fredriksson
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