Vergebung
worden und eingestürzt war. Am Hauptgebäude seien jedoch gewisse Reparaturen durchgeführt worden.
Was Lisbeth jedoch stutzen ließ, war die Geschichte dieser Anlage. Zalatschenko hatte die Immobilie am 12. März 1984 für einen Spottpreis erworben, in den Verträgen war allerdings Agneta Sofia Salander als Käuferin angegeben.
Also hatte die Immobilie Lisbeths Mutter gehört. Doch schon 1987 kaufte Zalatschenko sie ihr für 2 000 Kronen ab. Danach blieb die Anlage knapp fünfzehn Jahre lang ungenutzt. Aus der Inventarisierung ging hervor, dass das Unternehmen KAB am 17. September 2003 die Baufirma NorrBygg mit Renovierungsarbeiten beauftragt hatte, die unter anderem Reparaturen an Boden und Dach umfassten sowie Verbesserungen der Wasser- und Stromleitungen. Diese Arbeiten dauerten bis zum 30. November und wurden dann abgebrochen. NorrBygg hatte eine Rechnung geschickt, die beglichen wurde.
Von allen Vermögenswerten im Nachlass ihres Vaters war dies der einzige, der Fragen aufwarf. Lisbeth zog die Brauen zusammen. Eine Industrieanlage zu besitzen wäre ja sinnvoll gewesen, wenn ihr Vater hätte vortäuschen wollen, dass sein Unternehmen KAB tatsächlich irgendeine Art von Tätigkeit ausübte oder gewisse Vermögenswerte besaß. Es wäre auch sinnvoll gewesen, Lisbeths Mutter beim Kauf als Strohmann einzusetzen und sich danach den Vertrag unter den Nagel zu reißen.
Doch warum in Gottes Namen hatte er im Jahr 2003 fast 440 000 Kronen bezahlt, um eine baufällige Bruchbude renovieren zu lassen, die nach Angaben des Bevollmächtigten des Nachlassgerichts auch 2005 noch ungenutzt war?
Lisbeth war verwirrt, aber nicht übermäßig interessiert. Sie klappte die Mappe wieder zu und rief Annika Giannini an.
»Ich habe die Nachlassinventarisierung durchgelesen. Es bleibt dabei: Verkaufen Sie den ganzen Krempel, und machen Sie mit dem Geld, was Sie wollen. Ich will nichts davon haben.«
»In Ordnung. Dann sorge ich dafür, dass die Hälfte der Summe für Ihre Schwester auf die Bank gelegt wird. Danach werde ich Ihnen ein paar Vorschläge machen, wem Sie das Geld spenden könnten.«
»Jaja«, sagte Lisbeth und legte gleich wieder auf.
Dann setzte sie sich in den Fenstersturz, zündete sich eine Zigarette an und blickte auf den Saltsjön.
Lisbeth Salander verbrachte die nächste Woche damit, Dragan Armanskij in einer eiligen Angelegenheit zu helfen. Es ging darum, eine Person aufzuspüren und zu identifizieren, die wahrscheinlich für die Entführung eines Kindes angeheuert worden war, um das nach der Scheidung ein Sorgerechtsstreit zwischen der schwedischen Mutter und dem libanesischen Vater entbrannt war. Lisbeths Einsatz beschränkte sich auf die Kontrolle der Mails, die vom mutmaßlichen Auftraggeber kamen. Der Auftrag wurde abgebrochen, als die Parteien sich auf juristischem Weg einigten und versöhnten.
Der 18. Dezember war der Sonntag vor Weihnachten. Lisbeth wachte morgens um sieben auf und stellte fest, dass sie noch ein Weihnachtsgeschenk für Holger Palmgren besorgen musste. Sie überlegte eine Weile, ob sie noch jemand anders ein Geschenk kaufen sollte - vielleicht Annika Giannini? Ohne sich sonderlich zu beeilen, stand sie auf, duschte und frühstückte Kaffee und Toast mit Käse und Orangenmarmelade.
Sie hatte sich nichts Besonderes für diesen Tag vorgenommen und räumte eine Weile Papiere und Zeitungen von ihrem Schreibtisch. Dann fiel ihr Blick wieder auf die Mappe mit der Nachlassinventarisierung. Sie schlug sie auf und las noch einmal die Seite mit dem Grundbuchauszug des Gewerbeobjekts in Norrtälje. Schließlich seufzte sie. Okay. Ich muss einfach rausfinden, was er da am Laufen hatte.
Sie zog sich warme Kleider und Stiefel an. Es war halb neun, als sie mit dem weinroten Honda aus der Tiefgarage in der Fiskargatan 9 fuhr. Es war eiskaltes, aber schönes Wetter, mit Sonnenschein und einem pastellblauen Himmel. Sie schlug den Weg über den Slussen und Klarabergsleden ein und schlängelte sich auf der E 18 in Richtung Norrtälje. Sie hatte es nicht eilig. Es war fast neun Uhr, als sie ein paar Kilometer vor Skederid an einer Tankstelle anhielt, um sich nach dem Weg zur alten Ziegelei zu erkundigen. In dem Moment, als sie das Auto abstellte, sah sie, dass sie gar nicht mehr nachfragen musste.
Sie stand auf einer kleinen Anhöhe, die eine gute Aussicht über eine Senke auf der anderen Straßenseite bot. Links von der Straße nach Norrtälje bemerkte sie ein Farbengeschäft und irgendeinen Laden,
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