Vergebung
Giannini an.
»Ich habe eine ganze Woche lang versucht, Sie zu erreichen. Ich habe angerufen, geschrieben und gemailt.«
»Ich war verreist.«
»Den Herbst über war es die meiste Zeit unmöglich, Sie zu erreichen. Das funktioniert so nicht. Ich habe mich schon bereit erklärt, Sie in allen Angelegenheiten, die Sie jetzt noch mit dem Staat zu klären haben, juristisch zu vertreten. Das bedeutet, dass Formalitäten erledigt, Dokumente bearbeitet und Fragen beantwortet werden müssen. Ich muss Sie erreichen können, und ich habe keine Lust, wie der letzte Idiot dazustehen und nicht mal zu wissen, wo Sie gerade sind.«
»Verstehe. Ich war zwei Wochen im Ausland. Gestern bin ich nach Hause gekommen, und dann hab ich Sie sofort angerufen, als ich gehört habe, dass Sie mich suchen.«
»Das reicht mir nicht. Sie müssen mir Bescheid geben, wo Sie gerade sind, und sich mindestens einmal pro Woche melden, bis alle Fragen der Entschädigung und so weiter geklärt sind.«
»Ich scheiß auf die Entschädigung. Ich will, dass der Staat mich in Ruhe lässt.«
»Aber der Staat wird Sie nicht in Ruhe lassen, so sehr Sie sich das auch wünschen. Ihr Freispruch vor Gericht hatte eine ganze Reihe von Folgen. Da geht es nicht nur um Sie. Peter Teleborian wird angeklagt werden für das, was er Ihnen angetan hat. Das bedeutet, dass Sie als Zeugin aussagen müssen. Gegen Staatsanwalt Ekström wird gerade wegen Amtsmissbrauch ermittelt, er könnte angeklagt werden, wenn sich herausstellt, dass er im Auftrag der Sektion seine dienstlichen Pflichten bewusst missachtet hat.«
Lisbeth zog die Augenbrauen hoch. Eine Sekunde lang sah sie fast schon interessiert aus.
»Ich glaube nicht, dass es zu einer Anklage kommen wird. Er ist auf einen Bluff reingefallen und hat eigentlich gar nichts mit der Sektion zu tun. Aber letzte Woche hat ein Staatsanwalt eine Voruntersuchung gegen das Vormundschaftsgericht eingeleitet. Es liegen mehrere Anzeigen vom Amtsausschuss vor, auch eine gegen den Kronjuristen.«
»Ich habe niemand angezeigt.«
»Nein. Aber es ist ganz offensichtlich, dass hier schwere Fehler im Amt begangen wurden, und das muss untersucht werden. Sie sind nicht die einzige Person, für die die Ämter Verantwortung tragen.«
Lisbeth zuckte mit den Schultern.
»Das geht mich nichts an. Aber ich verspreche, dass ich ab jetzt besser Kontakt mit Ihnen halten werde. Die letzten zwei Wochen waren eine Ausnahme. Ich musste arbeiten.«
Annika Giannini musterte ihre Mandantin misstrauisch.
»Was arbeiten Sie denn?«
»Eine Beratertätigkeit.«
»Okay«, sagte Annika. »Die zweite Sache, die ich mit Ihnen zu besprechen habe, betrifft den Nachlass. Die Inventarisierung ist jetzt abgeschlossen.«
»Was denn für ein Nachlass?«
»Der Ihres Vaters. Der Rechtspfleger des Nachlassgerichts hat mich kontaktiert, weil niemand zu wissen scheint, wie man sich mit Ihnen in Verbindung setzen könnte.«
Lisbeth Salander betrachtete Annika, ohne eine Miene zu verziehen. Dann suchte sie den Blick der Kellnerin und deutete auf ihr Bierglas.
»Ich will kein Erbe von meinem Vater. Machen Sie mit dem verdammten Zeug, was Sie wollen.«
»Falsch. Sie können damit machen, was Sie wollen. Mein Job ist es, Ihnen die Möglichkeit zu verschaffen, dass Sie das können.«
»Ich will keine Öre von diesem Schwein.«
»Okay. Dann schenken Sie das Geld doch einfach Greenpeace oder so.«
»Wale gehen mir am Arsch vorbei.«
Plötzlich schlug Annika einen vernünftigen Ton an.
»Lisbeth, wenn Sie ein mündiger Bürger sein wollen, müssen Sie jetzt auch langsam anfangen, sich wie einer zu benehmen. Es ist mir egal, was Sie mit Ihrem Geld machen. Unterschreiben Sie hier, und dann können Sie in Frieden weitersaufen.«
Lisbeth warf Annika einen verstohlenen Blick zu und sah dann auf den Tisch. Annika nahm es als eine Art entschuldigende Geste, die in Lisbeths begrenztem mimischem Repertoire vielleicht einer echten Entschuldigung entsprach.
»Okay. Was ist das für ein Erbe?«
»Ihr Vater hatte knapp 300 000 in Wertpapieren angelegt. Die Immobilie in Gosseberga wird bei einem Verkauf schätzungsweise 1,5 Millionen bringen - ein Waldstück gehört nämlich auch noch dazu. Außerdem besaß Ihr Vater noch drei weitere Immobilien.«
»Immobilien?«
»Ja. Es sieht so aus, als hätte er ziemlich viel Geld investiert. Es sind keine übermäßig wertvollen Objekte. Er besitzt ein kleineres Mietshaus in Uddevalla mit insgesamt sechs Wohnungen, die gewisse
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