Vergebung
mitgenommen .
Sie ging zur Paneelsäge und legte den Schalter um, woraufhin eine grüne Lampe aufleuchtete. Strom gab es also. Sie schaltete sie wieder aus.
Ganz hinten in der Halle waren drei Türen, die zu kleineren Räumen führten, vielleicht befand sich ja hier das ehemalige Büro. Sie drückte die Klinke der nördlichsten Tür. Abgeschlossen. Sie sah sich um, ging zurück zu dem liegen gebliebenen Werkzeug und holte sich ein Brecheisen. Sie brauchte eine Weile, um die Tür aufzubrechen.
In dem kleinen Zimmer war es pechschwarz und roch schimmelig. Lisbeth tastete mit der Hand nach dem Lichtschalter und knipste eine Deckenlampe an. Verblüfft sah sie sich um.
Die Einrichtung des Zimmers bestand aus drei Betten mit schmutzigen Matratzen und drei weiteren Matratzen, die direkt auf dem Boden lagen. Schmutzige Bettwäsche lag herum. Rechts standen eine Kochplatte und ein paar Töpfe neben einem rostigen Wasserhahn. In einer Ecke stand ein Blecheimer und eine Rolle Toilettenpapier.
Hier hatte jemand gewohnt. Mehrere Personen.
Auf einmal bemerkte sie, dass an der Innenseite die Handklinke fehlte. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter.
Sie trat an einen Schrank, der ganz hinten im Zimmer stand, öffnete die Türen und entdeckte zwei Reisetaschen. Sie nahm die obere heraus. Sie enthielt Kleidung. Als sie in der Tasche wühlte und einen Rock herauszog, sah sie ein Etikett mit russischer Beschriftung. Daneben fand sie noch eine Handtasche, deren Inhalt sie auf den Boden leerte. Neben Make-up und anderem Kram fand sie einen Pass, der einer dunkelhaarigen Frau um die 20 gehörte. Wieder alles auf Russisch. Den Namen entzifferte Lisbeth als »Valentina«.
Langsam ging sie aus dem Zimmer. Sie hatte ein Déjà-vu-Erlebnis. Dieselbe Art von Tatort hatte sie vor zweieinhalb Jahren in einem Keller in Hedeby untersucht. Frauenkleider. Ein Gefängnis. Sie blieb stehen und überlegte ein Weilchen. Es beunruhigte sie, dass der Pass und die Kleider noch hier waren. Hier stimmte irgendwas nicht.
Dann ging sie zurück zu dem Werkzeughaufen und suchte so lange, bis sie eine starke Taschenlampe gefunden hatte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Batterien darin waren, ging sie in die große Halle im Erdgeschoss. Das Wasser der Pfützen drang durch ihre Stiefel.
Es roch umso verfaulter, je weiter sie voranging. In der Mitte schien der Gestank am schlimmsten. Sie blieb vor einem der Fundamente der alten Ziegelöfen stehen. Es war fast bis zum Rand mit Wasser gefüllt. Als sie mit der Stablampe die kohlschwarze Wasseroberfläche beleuchtete, konnte sie erst nichts erkennen. Die Oberfläche war zum Teil mit Algen bedeckt, die eine grüne Schleimschicht bildeten. Sie sah sich um und entdeckte ein drei Meter langes Armierungseisen. Das tauchte sie in das Bassin und rührte darin herum. Das Wasser war gerade mal einen halben Meter tief. Sie stieß fast sofort auf einen Widerstand. Wenige Sekunden später kam der Körper an die Oberfläche, zuerst das Gesicht, eine grinsende Maske von Tod und Verwesung. Lisbeth atmete durch den Mund und betrachtete das Gesicht der Leiche im Schein der Taschenlampe. Es war eine Frau, vielleicht die Frau von dem Pass im Obergeschoss. Lisbeth hatte keine Ahnung, wie schnell die Verwesung in kaltem stehendem Wasser voranschreitet, aber der Körper schien schon länger in diesem Becken zu liegen.
Plötzlich sah sie, wie sich an der Wasseroberfläche etwas bewegte. Irgendwelche Maden.
Sie ließ den Körper wieder unter die Wasseroberfläche sinken und tastete weiter mit dem Armierungseisen herum. Am Rand des Bassins stieß sie auf etwas, was ein zweiter Körper zu sein schien. Sie ließ ihn liegen, zog die Stange wieder heraus, ließ sie auf den Boden fallen und blieb nachdenklich vor dem Becken stehen.
Lisbeth Salander ging wieder ins Obergeschoss zurück, wo sie mit dem Brecheisen auch die mittlere Tür aufbrach. Das Zimmer war leer und schien nicht benutzt worden zu sein.
Sie ging zur letzten Tür und setzte das Brecheisen an, doch im nächsten Moment glitt die Tür von selbst einen Spalt weit auf. Sie war unverschlossen. Lisbeth schob sie mit dem Kuhfuß weiter auf und sah sich um.
Dieser Raum war ungefähr 30 Quadratmeter groß. Seine Fenster waren in normaler Höhe angebracht, sodass man auf den Hof vor der Ziegelei blicken konnte. Auf der Anhöhe hinter der Straße konnte sie die OK-Tankstelle erkennen. Im Zimmer standen ein Bett, ein Tisch und eine Spüle. Dann sah sie die offene
Weitere Kostenlose Bücher