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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Schlachtfeld, das er jetzt überquert.
    Cody befindet sich irgendwo zu seiner Linken, Donovan rechts.
    Lev ist direkt hinter ihnen.
    Michel und Willem bedienen den MK47 von der Baumgrenze aus.
    Wegen des Qualms können die KORD-Schützen kein Ziel ausmachen, sie können nur die gesamte Fläche unter Beschuss nehmen. Aber Flächenbeschuss kann verdammt tödlich sein und 12mm-Geschosse zischen durch die Luft und an seinen Füßen vorbei.
    Jetzt hat der MK47 den Bunker anvisiert und spuckt Feuer. M406 HE-Granaten treffen die Anlage, rütteln an den Betonmauern.
    Das Maschinengewehrfeuer lässt nach, hört aber nicht auf.
    Ebenso wie Dave.
    Beweg dich, sagt er sich. Beweg dich, egal was.
    Wenn du einknickst, bist du tot.
    Und Aziz lebt.
    Also beweg dich.
    Dann verstummt das KORD.
    Dafür gibt es einen Grund, so viel weiß Dave. Entweder ist der Bunker eingestürzt oder …
    Dann sieht er’s.
    Mudschahedin kommen durch den Qualm auf sie zugelaufen, grau wie Gespenster, Feuer spuckt aus den Mündungen ihrer Kalaschnikows.
    Wir kennen uns, denkt Dave.
    Wir bekämpfen einander schon seit zwölf Jahren.
    Zwei Armeen in einem vernebelten Fegefeuer.
    Halbblind.
    Voller Zorn.
    Er legt die MP5 an und feuert.
    Ein Geist löst sich auf, dann ein weiterer.
    Der dritte wirft eine Granate.
    Ein roter Blitz, und der Kopf fliegt vom Hals.
    Wie mit einem Schwert abgeschlagen.
    Ulrich hatte die Ladung neben den Baum geworfen, auf Höhe des Halses.
    Der Zugführer bleibt eine Sekunde schockiert stehen, sieht dem Kopf des Fährtenlesers nach.
    Dann durchbohren Kugeln seine Brust, und er sackt zu Boden.
    Ulrich wechselt die Position.
    Na ja, das wird sie eine Weile aufhalten, denkt er. Und mit dem Fährtenlesen ist es jetzt auch vorbei.
    Amir ist taub.
    Nach dem Granateneinschlag klingelt es in seinen Ohren.
    Aber er lebt, fast wundert er sich darüber. In einer Landschaft, in der ansonsten alles tot oder fast tot ist. Die Bäume sind zerfetzt, Körperteile hängen in seltsamen Winkeln anleblosen Körpern. Die Leichen der Mudschahedin, jetzt vermutlich shahid , liegen verstreut wie gefallenes Herbstlaub. Aber Amir riecht keine Paradiesrosen. Es stinkt nach Kordit, Rauch, Blut und Tod, eher wie in der Hölle, nicht wie im Himmel.
    Er rappelt sich auf und rennt zum RP.
    Cody rast zum Bunker.
    Die Geräusche setzen ihm zu – das Zischen und Knacken der Kugeln, die Explosionen –, das alles kommt ihm gleichzeitig neu und alt vor, und er merkt, wie er die Beherrschung verliert.
    Die Vergangenheit walzt auf ihn zu wie eine gigantische Welle, vor der er nicht davonlaufen kann.
    Jeder Surfer weiß das – vor einer Welle kann man nicht fliehen. Man muss drunter durchtauchen, sie über sich hinwegrauschen lassen und hoffen, dass man genug Luft in der Lunge hat, um hinterher wieder auftauchen zu können, den Himmel noch einmal zu sehen.
    Jetzt spürt er die Welle hinter sich.
    Tangi-Tal.
    Die Geräusche, der Geruch, Harding stirbt in seinen Armen, das Blut.
    Er erinnert sich nicht, er ist wieder dort. Oder das Tal ist hier bei ihm, so real, wie man es sich nur vorstellen kann.
    Er zieht den Kopf ein und bewegt sich weiter in Richtung Bunker.
    Bitte, lass mich nicht die Nerven verlieren, denkt er. Lass mich noch ein kleines bisschen durchhalten.
    Der Mudschahed greift nach der Waffe des Toten.
    Eine schöne MP5 liegt in der geöffneten Hand des Mannes.
    Dave packt ihn am Handgelenk, zieht ihn runter und tritt ihm gleichzeitig die Beine weg. Dann zieht er sein Messer und rammt es ihm in die Kehle. In einer einzigen Bewegung zieht er die Klinge heraus und springt auf.
    Vom Granateneinschlag noch benommen, steht er wackelig auf den Beinen und spürt, wie ihm Blut über den Arm läuft. Granatsplitter, vielleicht auch Gesteinsbrocken – egal, er muss weiter durch den Qualm zum Bunker.
    Vor ihm ein Gesicht.
    Er schwingt seinen Kolben, und das Gesicht verschwindet.
    Ein Gespenst zu seiner Rechten.
    Dave feuert.
    Jetzt sieht er den Bunker, nur fünfzig Meter vor ihm, links. Aber er sieht auch Lev, der ihm zuwinkt, ihn zurückwinkt?
    Der Israeli legt den XM25 an, zielt und feuert in den Bunker. Ein Mudschahed kommt brennend herausgerannt, läuft und fällt. Zwei weitere kommen raus, die Hände erhoben, und Dave sieht, wie Donovan sie niedermäht.
    Die MP5 im Anschlag betritt Dave den Bunker.
    Die beiden KORD-Schützen sind tot. Drei weitere Leichen liegen daneben.
    »Sauber!«, brüllt Dave über Funk.
    Donovan, Cody und Lev folgen ihm.
    Sie bleiben nicht

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