Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
denkt Aziz. Zwei Männer auf Rachefeldzug.
Hast du’s auf mich abgesehen, Collins?
Willst du Vergeltung?
Komm nur.
Dann wird der Bildschirm schwarz.
Dave schießt die Videokamera vom Baum.
Erst nimmst du dem Gegner die Sicht, dann seinen Verstand, zum Schluss seinen Körper. Er erinnert sich, dass Indianer toten Feinden die Augen ausstachen, damit sie im Jenseits nicht mehr kämpfen konnten. Zur Hölle mit dem Jenseits, denkt Dave, im wahrsten Sinne. Man muss sie in diesem Leben kampfunfähig machen.
Donovan feuert eine weitere HUNTIR ab, diesmal über die Bunkeranlage. Er und Dave betrachten das Videomaterial auf dem iPad.
Anscheinend wird man dort jetzt auch aktiv.
Eine Crew steigt in einen T-90 Kampfpanzer. Andere Mudschahedin beziehen vor dem Hauptbunker und auf dem Hanggegenüber Stellung. Wieder andere nehmen vorbereitete Gefechtspositionen an den umliegenden Hängen ein.
Der T-90 rollt die Straße runter zum Lager.
»Phase drei«, sagt Donovan über Funk. »Los.«
Das Team steigt bergan, meidet die Straße.
Die Straße ist eine verlockende Abkürzung. Einmal kurz um die Kurve, und schon steht man direkt unterhalb des Hauptbunkers.
Im Fadenkreuz des Feindes.
Die Architekten der Verteidigungsanlage waren davon ausgegangen, dass jemand mit ausreichend Feuerkraft für einen Angriff auf den Bunker den steilen Anstieg über den bewaldeten Berghang nicht würde bewältigen können. Eigentlich bräuchte man Panzer dafür. Oder zumindest Laster, um die notwendigen schweren Geschütze aufzufahren. Auf jeden Fall aber würde man das, was man braucht, über die Straße transportieren müssen. Ohne Deckung aus der Luft und gegen Panzer und schwere Maschinengewehre ankämpfend wäre das reiner Selbstmord. Man hätte viel zu viele Verluste zu verzeichnen, um noch einen erfolgreichen Angriff starten zu können.
Das Problem liegt auf der Hand – die Lösung ebenfalls.
Man geht nicht zum Bunker rauf – sondern kommt zu ihm runter.
Vergisst die Serpentinen und klettert den Berg hoch.
Eine Steigung von zwölf Grad.
Dicht bewachsen.
»Ist das machbar?«, hatte Donovan gefragt.
»Muss«, hatte Dave geantwortet.
Deshalb warten sie jetzt, dass Alessandro und Amir, die im Lager ausgeharrt haben, zu ihnen stoßen, anschließend klettern sie mit den beiden als Vorhut auf den Berg. Sie sind zweihundert Meter aufgestiegen, als Dave nach unten blickt und den T-90 Richtung Lager rollen sieht. Verlockend, ihn jetzt anzugreifen, solange er isoliert ist, aber damit würden sie ihre Position verraten. Also ducken sie sich und warten, bis er vorbei ist, dann setzen sie den Aufstieg fort.
Dave gibt sich keinen Illusionen hin.
Die eigentliche Schlacht beginnt erst noch.
Alessandro weiß es in dem Moment, in dem er auftritt, aber da ist es bereits zu spät.
Mit seinem rechten Fuß aktiviert er einen zylindrischen Metallkörper, der in die Luft geschleudert wird und einen dünnen Stahldraht hinter sich her zieht. Auf circa fünfzig Zentimetern Höhe ist der Draht straff gespannt und zündet ein halbes Kilogramm Composition B – eine Sprengstoffmischung aus RDX und TNT.
1200 Stahlsplitter bohren sich in Alessandros Beine.
Dave hört den Knall.
Das kann nur eine Mine sein.
Dann kommt auch schon der Befehl über Funk: »Sanitäter kommen. Eagle down .«
Er folgt Cody, der jetzt den Hang zur Unfallstelle hinauftrottet, vorbei am restlichen Team.
Alessandros Beine sind weg.
Cody kniet neben ihm, reisst ihm die Morphiumampullen vom Hals und spritzt ihm das Schmerzmittel. Dann legt er Kompressionsverbände auf die Stümpfe und bindet Stauschläuche darum.
Alessandro blickt Cody aus drogenvernebelten Augen an.
»Bitte.«
»Dude, das kann ich nicht.«
»Bitte.«
Er bittet Cody um den »finalen Schuss« – darum, dass er ihm eine tödliche Dosis Morphium spritzt. Hier gibt es keine Evakuierung, keinen Hubschrauber, der ihn rausholt und ins Krankenhaus bringt. Cody weiß das, alle wissen das. Aber er kann nicht tun, worum ihn sein Freund bittet. Als Sanitäter hat er einen hippokratischen Eid geschworen. »Ich werde niemandem ein tödliches Medikament verabreichen, auch nicht, wenn er darum bittet.« Und es gibt immerhin auch noch die Chance, dass Alessandro überlebt. Wenn sie die Mission zu Ende bringen, können sie ihn holen und zum Flugzeug schleppen.
Das sagt er jetzt zu Dave, der weiß, dass es Blödsinn ist. So viel Zeit hat Alessandro nicht – vorher wird er am Blutverlust oder an den Folgen des Schocks
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