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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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wissen, dass während des Einsatzes trotz noch so detaillierter Planung und penibler Vorbereitung nicht nur genügend Raum für Improvisation bleibt, sondern diese auch dringend notwendig ist.
    Aber das ist kein Problem.
    Genau genommen ging es bei dem rigorosen Training, denRitualen, dem Abschlussball, um nichts anderes – jeder muss darauf vertrauen können, dass der andere sich professionell verhält – ruhig, cool und effizient.
    Und jeder kennt den Ablauf des anderen.
    Wie bei Quarterback und Receiver weiß jeder immer genau, was der andere vorhat. Das ist wichtig, wenn alles nach Plan läuft, wird aber entscheidend, sobald etwas schiefgeht. Rennt der QB um sein Leben, muss er wissen, wo sein Receiver steht.
    Und hier wird nicht Football gespielt, das hier ist das wahre Leben.
    Oder der wahre Tod.
    Das Team hat sich akribisch vorbereitet.
    Gleich nach ihrem auf den Abschlussball folgenden freien Tag hatten sie mit der zweiten, speziell auf die Operation zugeschnittenen Trainingsphase begonnen.
    Zuerst der Sprung.
    Donovan hatte aus Kosten- und Sicherheitsgründen einen älteren Sikorsky-Helikopter dafür organisiert – ein Black Hawk hätte ungewollt Aufmerksamkeit erregt, sogar im Mar de Cortés –, und sie waren nachts aus sieben Metern, mit wasserdichten Säcken bepackt, ins offene Meer gesprungen, zu den Schlauchbooten geschwommen, hatten diese aufgepumpt und waren an Bord geklettert. Am schwierigsten fand Dave, gegen den Rotorabwind des Hubschraubers anzukämpfen, aber er gewöhnte sich schon bald daran.
    Dann kam das Reinpaddeln – sie hatten es bereits geübt und waren ziemlich gut darin –, anschließend folgten sie der mit Bojen markierten Route, die dem Kanal vor Lamu nachempfunden war – wichen Mangrovensümpfen, Untiefen undSandbänken aus, die auf den Satellitenaufnahmen zu sehen waren.
    All dies wurde nachts geübt, ohne Licht und in dem Bemühen, möglichst keinen Krach zu machen.
    Beim Reinpaddeln kann allerhand schiefgehen.
    Sie können sich verirren, von der Landezone abgetrieben oder von einheimischen Fischern entdeckt werden, die sofort Alarm schlagen würden.
    Noch schlimmer, die kenianische Navy fährt im Rahmen der Piraterieabwehr mit P-400-Class Patrouillenbooten die Küste auf und ab. Wenn sie Pech haben, befindet sich eins der Boote vor Lamu, und die Beamten entdecken den Helikopter oder die Schlauchboote.
    Auf keinen Fall würde das Team auf Soldaten einer verbündeten Nation feuern, demnach würde ihnen nichts anderes übrigbleiben, als sich schmachvoll zu ergeben und für längere Zeit in ein kenianisches Gefängnis zu gehen. Die gesamte Mission wäre gescheitert.
    Also übten sie, sich so geduckt wie möglich zu halten – ein Bein auf dem Dollbord, das andere im Wasser –, um die eigene Silhouette zu verkleinern und die verbale Kommunikation auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.
    Während sie im Wasser trainierten, baute Donovan das Dorf Shela nach. Rote Flaggen auf dem Abhang markierten Straßenecken – ein verwirrendes Labyrinth aus engen Gassen und verschlungenen Wegen. Sie mussten den Weg zu Scheich Alis Anwesen problemlos und schnell finden – außerdem leise und in der Dunkelheit –, durften dabei von den Dorfbewohnern nicht gesehen werden, die möglicherweise auf Veranden und Balkonen saßen, um der Hitze in ihren Häusern zu entkommen.
    Dann baute Donovan ein »Glashaus« – eine Attrappe, die Alis Anwesen nachempfunden war.
    Der einfache Ständerbau hatte keine »Wände«, sondern war nur aus Latten zusammengesteckt, wobei aber echte Türen in den Rahmen hingen und echte Treppen in die oberen, aus Sperrholz gezimmerten »Stockwerke« führten. Auf dem Balkon standen zwei Betten mit jeweils einer Puppe darin.
    Der Nachbau war grob, aber die Größenverhältnisse präzise.
    Jeder Bereich erhielt eine eigene Bezeichnung:
    Der Hof – Alpha.
    Die Unterkünfte der Familie – Bravo.
    Die Treppe – Charlie.
    Der Balkon – Delta.
    Die Küche – Echo.
    Die Straße – Foxtrott.
    Die Tür in der Mitte führte in den offenen Hof. Die Tür im Hof hinten links zu den Schlafzimmern der Familie. Rechts war die Küche und ebenfalls hinten eine weitere Treppe, die hoch auf den Balkon führte, auf dem die Zielpersonen schlafen würden.
    Das Team probte den Einsatz hundert Mal, und mit jedem Mal wurden die Abläufe geschmeidiger, mit jedem Mal schneller.
    »Das ist ein grundlegender Unterschied zu dem, was du im Irak, in Afghanistan und anderswo erlebt hast«, erklärte

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