Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

schon gescheitert.«
    Hör auf, ermahnt er sich. Du bist hergekommen, um einen Sponsor zu gewinnen – nicht, um dir einen mächtigen Mann zum Feind zu machen.
    »Du kannst mich töten«, sagt Aziz, »das weiß ich. Du kannst mich zerquetschen wie eine lästige Fliege. Das weiß ich. Aber ich habe mein Schicksal in deine Hand gelegt, weil ich weiß, dass du ein weiser Mann bist, ein Mann von großer Einsicht, ein Mann, der die Wahrheit erkennt, wenn er sie vor sich sieht. Und ich sage dir dies, Scheich Yusuf – wir werden den Krieg verlieren, wenn wir weiter auf eigenem Gebiet kämpfen. Wir dürfen nicht in Afghanistan, im Hindukusch, in Waziristan und in Gaza kämpfen. Wir müssen nach New York, Los Angeles, Chicago und Washington. Das und nur das wird den Feind weinen lassen, ihn dazu bringen, sich aus unseren Ländern zurückzuziehen. Dort liegt die Zukunft.«
    Aziz merkt, dass er unter seinem Hemd schwitzt. Yusuf nimmt einen großen Schluck Mangosaft. Aziz hat seine Zukunft – vielleicht sein Leben – mit seinem kühnen Appell aufs Spiel gesetzt.
    Dann fragt Yusuf: »Was willst du?«
    »Deine Unterstützung«, erwidert Aziz. Yusuf ist kein Idiot – er weiß, was sie alle von ihm wollen – Geld. »Ich brauche dich.«
    »Ich habe etwas anderes gehört«, sagt Yusuf. »Man sagt, von jedem Kilo Opium geht ein Anteil an Abdullah Aziz. Man sagt, die Händler auf den Suks stecken immer ein paar Münzen in ein Glas für Abdullah Aziz. Man sagt, reiche Männer wurden entführt und großzügige Lösegeldsummen an Abdullah Aziz überwiesen. Ist das alles falsch?«
    »Nein«, antwortet Aziz aufrichtig. »Aber würde ScheichYusuf morgen mit dem Vermögen von Abdullah Aziz aufwachen, würde er sich für einen Bettler halten. Mein ganzes Geld fließt in den Dschihad. Aber es ist nicht genug.«
    »Raketenwerfer sind billig.«
    »Die nächste Waffe wird es nicht sein.«
    »Welche Waffe ist das?«, fragt Yusuf.
    »›Ein Geheimnis ist wie eine Taube‹«, sagt Aziz. »›Verlässt sie den Käfig, fliegt sie davon.‹«
    »Du hältst die Hand auf und misstraust mir?«, fragt Yusuf. Er hebt den linken Arm, das Signal für den Leibwächter, ihm aus dem Stuhl zu helfen.
    »Ich halte die Hand auf«, sagt Aziz schnell, »nicht um zu betteln, sondern um einem Freund ein Angebot zu machen.«
    »Und was bietest du mir?« Er bedeutet dem Leibwächter zu warten.
    »Vergeltung«, sagt Aziz, nimmt eine Serviette, wischt sich den Mund und steht nun ebenfalls auf. »Ich will deine Ruhe nicht weiter stören, Scheich Yusuf. Dahir kann dir sagen, wie du zu unserem Vorhaben beitragen kannst. Wenn du’s tust, weiß ich, dass ich einen Freund habe. Wenn nicht – ma’as-saalamah .«
    Geh in Frieden.
    Er dreht sich um, rechnet halb damit, eine Kugel in den Rücken zu bekommen.
    Aber es kommt keine Kugel.
    Aziz grinst.
    Es fehlt nicht viel, und er wird auf ewige Zeiten abgesichert sein.

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    Die Nemesis , ein 25   000 Tonnen schweres und damit noch relativ »handliches« Frachtschiff unter der Flagge der Cayman Islands, bewegt sich in nördlicher Richtung an der ostafrikanischen Küste entlang.
    Die Route ist sehr alt, früher brachten hier die arabischen Händler Gewürze, Gold und Sklaven von den afrikanischen Häfen in den heutigen Jemen. Die arabischen dhows segelten im Winter mit den Passatwinden in den Süden, betrieben ihren Handel im Frühjahr und kehrten anschließend unter Ausnutzung der herbstlichen Nordwinde wieder heim.
    Jetzt geht die größte Gefahr nicht vom Wind, sondern von den Piraten aus, die in den hiesigen Gewässern Schiffe und deren Ladung entführen und Lösegeld dafür erpressen, und die Besatzung der Nemesis hält misstrauisch nach deren Schnellbooten Ausschau.
    Die Ladung der Nemesis befindet sich unter einer Plane festgezurrt auf dem Achterdeck. Sie ist beeindruckend – knapp zwanzig Meter lang, sechzehn Meter breit und fünfeinhalb Meter hoch.
    Laut Ladungsverzeichnis handelt es sich um Rotorblätter für Windräder.
    Aber das Ladungsverzeichnis ist gefälscht.
    Unter der Plane auf dem Achterdeck verbirgt sich ein MH-60 PAVE Hawk-Helikopter.
    Und die Piraten sind gut beraten, sich von der Nemesis fernzuhalten, denn unter Deck sitzen die besten Söldner der Welt.
    Dave kann es nicht erwarten, das Schiff zu verlassen.
    Er ist bereit, »loszuschlagen«.
    Er sitzt in seiner engen Kajüte, reinigt zum zigsten Mal diehalbautomatische Pistole, die er für den Einsatz ausgewählt hat, eine 45er Heckler & Koch MK23.
    Die