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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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meinte. Wieder Mordfälle zu bearbeiten.
    »Klar bin ich froh, Harry. Ich werde mich gar nicht mehr einkriegen vor Begeisterung, wenn wir diesen fahlen Reiter fassen und das Rätsel lösen.«
    »Ja«, sagte Bosch.
    Als sie gegangen war, dachte Bosch kurz darüber nach, was sie damit gemeint hatte, als sie Mackey einen fahlen Reiter nannte. Es musste irgendwelche biblischen Anklänge haben, aber er wusste nicht, was es genau bedeutete. Vielleicht nannten sie im South End Rassisten so. Er beschloss, sie am nächsten Tag danach zu fragen. Dann nahm er sich die Bewährungsakte wieder vor, gab aber bald auf. Es wurde Zeit, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Nicht auf die Vergangenheit. Nicht auf die Entscheidungen, die getroffen, und die Wege, die nicht eingeschlagen worden waren. Er stand auf und klemmte sich die Akten unter den Arm. Wenn sich bei der Observierung am kommenden Tag nichts tat, gaben sie vielleicht guten Lesestoff ab. Er steckte den Kopf durch die Tür von Abel Pratts Büro, um sich zu verabschieden.
    »Viel Glück, Harry«, sagte Pratt. »Bringen Sie es zu Ende.«
    »Das werden wir.«

 
     
     
     
     
     
     
     
     
    26
    Bosch stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz hinter der Hollywood Division ab und betrat die Polizeistation durch den Hintereingang. Es war lange her, dass er zum letzten Mal hier gewesen war, und sie hatte sich stark verändert. Die von Edgar erwähnten Erdbeben-Renovierungsmaßnahmen hatten anscheinend jeden Bereich des Gebäudes betroffen. Er fand das Wachbüro dort, wo früher eine Arrestzelle war, und die Streifenpolizisten hatten inzwischen einen eigenen Raum, um ihre Berichte zu schreiben, während sie sich früher bei den Detectives einen Platz hatten besorgen müssen.
    Bevor er nach oben zur Sitte ging, wollte er noch kurz bei den Detectives vorbeischauen, um sich vielleicht eine Akte herauszusuchen. Auf dem Flur begegnete er einem Sergeant namens McDonald, an dessen Vornamen er sich nicht erinnern konnte.
    »Hallo, Harry, wieder zurück? Lange nicht gesehen, Mann.«
    »Ich bin wieder eingestiegen, Sechs.«
    »Sehr gut.«
    Sechs war die Funkbezeichnung der Hollywood Division. Den Sergeant von der Streife mit Sechs anzusprechen war in etwa das Gleiche, wie einen Detective des Morddezernats Roy zu nennen. Es erfüllte seinen Zweck und erlaubte Bosch, sein schlechtes Namensgedächtnis zu überspielen. Als er das Ende des Flurs erreicht hatte, fiel ihm wieder ein, dass der Sergeant Bob hieß.
    Das Morddezernat war im hinteren Ende des riesigen Bereitschaftsraums der Detectives. Edgar hatte Recht gehabt. Das Ganze hatte wenig Ähnlichkeit mit den Bereitschaftsräumen, die Bosch bisher von innen gesehen hatte. Der Raum war grau und steril. Es sah aus wie in einem Lagerhaus, in dem Telefonverkäufer Firmen und alte Damen anriefen und ihnen überteuerte Füllfederhalter und Timesharing-Wohnungen andrehten. Er sah Edgars Kopf über die Trennwände zwischen den Abteilen ragen. Es sah aus, als wäre er der Einzige, der noch im Dienst war. Es war spät, aber so spät auch wieder nicht.
    Er ging auf die Trennwand zu und schaute über sie auf Edgar hinab. Er saß mit gesenktem Kopf über dem Times -Kreuzworträtsel. Das war bei Edgar ein Ritual. Er versuchte, es jeden Tag zu lösen, und nahm es auf die Toilette, zum Mittagessen und zu Observierungen mit. Er ging nur ungern nach Hause, ohne es gelöst zu haben.
    Edgar hatte Bosch noch nicht bemerkt. Bosch zog sich leise zurück und schlüpfte in das Abteil neben dem von Edgar. Er nahm den Metallabfalleimer unter dem Schreibtisch hervor und watschelte in der Hocke direkt hinter Edgar. Dann stand er auf und ließ den Abfalleimer aus gut einem Meter Höhe auf den neuen grauen Linoleumboden fallen. Das Geräusch, das dabei entstand, war laut und abrupt, fast wie ein Schuss. Edgar sprang von seinem Stuhl hoch, und sein Bleistift flog an die Decke. Er wollte schon losbrüllen, als er sah, dass es Bosch war.
    »Verdammt noch mal, Bosch!«
    »Wie geht’s, wie steht’s, Jerry?« Vor Lachen bekam Bosch allerdings kaum etwas heraus.
    »Verdammt noch mal, Bosch!«
    »Ja, das sagtest du bereits. Nicht gerade viel los bei euch heute Abend, wie ich sehe.«
    »Was machst du denn hier? Ich meine, außer mir einen Mordsschrecken einzujagen.«
    »Ich arbeite, Mann. Ich habe oben in der Sitte einen Termin mit der Zeichnerin. Was treibst du denn noch hier?«
    »Ich mache gerade Schluss. Ich war kurz davor, nach Hause zu gehen.«
    Bosch beugte sich

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