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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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vor und sah, dass das Raster des Kreuzworträtsels fast vollständig mit Wörtern ausgefüllt war. An mehreren Stellen war radiert worden. Edgar trug die Wörter nie mit Tinte ein. Bosch sah das alte rote Wörterbuch aus dem Regal auf dem Schreibtisch liegen.
    »Schummelst du schon wieder, Jerry? Du weißt ganz genau, dass man kein Wörterbuch benutzen soll.«
    Edgar ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. Er wirkte verärgert über den Quatsch und die Fragerei.
    »Erzähl doch keinen Mist. Ich kann machen, was ich will. Es gibt keine Regeln, Harry. Geh doch zur Sitte rauf und lass mich in Ruhe. Lass dir einen Lidschatten verpassen, damit du auf den Strich gehen kannst.«
    »Das hättest du wohl gern. Du wärst mein erster Freier.«
    »Ja, klar. Brauchst du hier eigentlich was, oder bist du nur vorbeigekommen, um mir ein bisschen Dampf unterm Hintern zu machen?«
    Endlich grinste Edgar, und Bosch wusste, dass zwischen ihnen alles in Butter war.
    »Ein bisschen von beidem«, sagte Bosch. »Ich brauche eine alte Akte. Wo lagert ihr die in diesem Palast inzwischen?«
    »Wie alt genau? Sie haben nämlich angefangen, welche nach downtown zu bringen, um sie auf Mikrofilm zu übertragen.«
    »Müsste 2000 gewesen sein. Erinnerst du dich noch an Michael Allen Smith?«
    Edgar nickte.
    »Klar. Wie sollte ich jemanden wie Smith vergessen? Was hast du mit ihm am Hut?«
    »Ich will nur ein Foto von ihm. Ist seine Akte noch hier?«
    »Klar, die ganzen frischen Sachen haben wir noch hier. Komm mit.«
    Er führte Bosch zu einer abgeschlossenen Tür. Edgar hatte einen Schlüssel, und kurz darauf standen sie in einem kleinen Zimmer voller Regale mit blauen Ordnern. Edgar machte die Mordakte zu Michael Allen Smith ausfindig und zog sie aus dem Regal. Er ließ die Akte in Boschs Hände fallen. Der Ordner war schwer. Es war ein schwieriger Fall gewesen.
    Bosch ging mit der Akte zu Edgars Nachbarabteil und blätterte sie durch, bis er zu den Fotos von Smiths Oberkörper und seinen Tattoos kam. Smith war fünf Jahre zuvor mithilfe seiner Tätowierungen identifiziert und des Mordes an drei Prostituierten überführt worden. Die Ermittlungen hatten Bosch, Edgar und Rider geführt. Smith war ein bekennender Rechtsradikaler gewesen, der heimlich mit schwarzen Transvestiten verkehrte, die er auf dem Santa Monica Boulevard aufgabelte und anschließend wegen seiner Schuldgefühle angesichts rassischer und geschlechtlicher Grenzüberschreitung umbrachte. Aufgrund dessen hatte er dann wegen seiner Ausrutscher kein so schlechtes Gewissen mehr. Der entscheidende Durchbruch war ihnen bei ihren Ermittlungen gelungen, als Rider einen Stricher ausfindig machte, der eins der Opfer in den Van eines Freiers hatte steigen sehen und sich an ein ungewöhnliches Tattoo auf der Hand des Freiers erinnern konnte. Das führte sie schließlich auf Smiths Spur, der sich im Zuge seiner Gefängnisaufenthalte eine ganze Reihe von Tätowierungen zugelegt hatte. Er wurde vor Gericht gestellt, schuldig gesprochen und in die Todeszelle geschickt, wo er nach wie vor mit allen möglichen juristischen Kniffen der Giftspritze zu entkommen versuchte.
    Bosch nahm diejenigen Fotos aus dem Ordner, auf denen Smiths Hals, Hände und sein linker Oberarm zu sehen waren, alles über und über mit Knasttusche verziert.
    »Die werde ich gleich oben bei der Sitte brauchen. Falls du schon gehen willst und das Aktenarchiv abschließen musst, kann ich dir die Fotos hinterher einfach auf den Schreibtisch legen.«
    Edgar nickte.
    »Okay. Was hast du da eigentlich vor, Mann? Willst du dir diese Scheiße jetzt selber draufmachen lassen?«
    »Richtig. Ich will wie Mike sein.«
    Edgar kniff die Augen zusammen.
    »Hat das mit dieser Chatsworth-Eights-Geschichte zu tun, von der wir gestern gesprochen haben?«
    Bosch lächelte.
    »Weißt du was, Jerry? Du solltest Detective werden. Davon verstehst du nämlich was.«
    Edgar nickte, als nähme er nur eine weitere sarkastische Bemerkung zur Kenntnis.
    »Und die Haare?«, fragte er. »Willst du dir die auch so schneiden lassen?«
    »Nein, das ginge mir ein bisschen zu weit«, sagte Bosch. »Ich werde eine Art reformierter Skinhead sein, denke ich.«
    »Aha.«
    »Aber ganz was anderes – hast du heute Abend schon was vor? Das da oben dürfte an sich nicht so lange dauern. Wenn du noch so lange warten und in der Zwischenzeit dein Kreuzworträtsel fertig machen willst, könnten wir hinterher noch auf ein Steak ins Musso’s gehen.«
    Allein davon zu

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