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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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reden machte Bosch hungrig. Auf das Steak und auf einen Wodka-Martini.
    »Das geht leider nicht, Harry. Ich muss zu Sheree Rileys Abschiedsparty in der Sportsmen’s Lodge. Nur deshalb habe ich hier auch noch etwas Zeit totgeschlagen. Ich wollte nur warten, bis der Verkehr etwas nachlässt.«
    Sheree Riley war eine Ermittlerin für Sexualverbrechen. Bosch hatte zwar ab und zu mit ihr zusammengearbeitet, aber sie hatten nie engeren Kontakt miteinander gehabt. Wenn Sex und Mord zusammenkamen, waren die Fälle in der Regel so brutal und schwierig, dass nicht viel Platz für anderes blieb als für die Arbeit. Bosch hatte nicht gewusst, dass sie in Pension ging »Aber vielleicht können wir dieses Steak ja ein andermal essen«, sagte Edgar. »Wäre das okay?«
    »Mehr als okay, Jerry. Mach dir einen schönen Abend und sag Sheree schöne Grüße und alles Gute. Und danke für die Fotos. Ich lege sie dir auf den Schreibtisch.«
    Bosch drehte sich um und ging in Richtung Flur los, als er Edgar fluchen hörte. Er drehte sich um und sah seinen ehemaligen Partnern mit weit ausgebreiteten Armen in seinem Abteil stehen und sich umblicken.
    »Wo ist bloß dieser verdammte Bleistift hin?«
    Bosch schaute sich auf dem Boden um, entdeckte ihn aber nirgendwo. Schließlich hob er den Blick und sah den Stift über Edgars Kopf in einer der schalldämmenden Deckenplatten stecken.
    »Manchmal kommt das, was hochgeht, einfach nicht mehr runter.«
    Edgar blickte nach oben und sah seinen Bleistift. Er musste zweimal springen, um ihn zu fassen zu bekommen.
    Die Tür zum Bereitschaftsraum der Sittenpolizei im ersten Stock war abgeschlossen, aber das war nicht ungewöhnlich. Als Bosch klopfte, öffnete ihm ein verdeckter Ermittler, den er nicht kannte.
    »Ist Vicki hier? Ich bin mit ihr verabredet.«
    »Kommen Sie rein.«
    Der Polizist machte einen Schritt zurück und ließ Bosch eintreten. Dieser Raum hatte sich im Zuge der Renovierung nicht nennenswert verändert. Er war lang gezogen, mit lauter Arbeitstischen an den Längsseiten. Über dem Arbeitsplatz jedes Polizisten hing ein gerahmtes Filmplakat. In der Hollywood Division durften nur Plakate von Filmen aufgehängt werden, die innerhalb ihres Reviers gedreht worden waren. Bosch fand Vicki Landreth an einem Tisch unter einem Plakat von Blue Neon Light , einem Film, den Bosch nicht kannte. Außer Vicki Landreth und dem Mann, der Bosch hereingelassen hatte, war niemand im Raum. Alle anderen waren vermutlich auf den Straßen der Stadt im Einsatz. »Hallo, Bosch«, sagte Landreth.
    »Hallo, Vic. Hast du für so was immer noch Zeit?«
    »Für dich habe ich doch immer Zeit, Süßer.«
    Landreth war eine ehemalige Hollywood-Maskenbildnerin, die zwanzig Jahre zuvor eines Tages von einem der Polizisten, die neben ihrem Polizeidienst als Sicherheitskräfte am Set arbeiteten, dazu überredet worden, mit ihm auf Streife mitzukommen. Der Typ hatte nur Zeit mit ihr verbringen wollen und gehofft, sie würde die Fahrt reizvoll finden und daraus würde sich etwas entwickeln. Es entwickelte sich daraus, dass Vicki Landreth sich an der Polizeiakademie anmeldete und Reservepolizistin wurde. Zwei Schichten im Monat kam sie auf Streife mit oder sprang im Bedarfsfall ein. Irgendwann erfuhr jemand bei der Sitte, was sie hauptberuflich machte, und schlug vor, ihre zwei Schichten bei der Sitte zu machen, weil sie sich dort nützlich machen könnte, indem sie verdeckte Ermittler noch überzeugender als Prostituierte, Zuhälter, Junkies und sonstige Streuner zurechtmachte. Bald fand Vicki die Arbeit bei der Polizei interessanter als die beim Film. Sie kündigte und begann, Vollzeit bei der Polizei zu arbeiten. Ihr Schminkkünste waren sehr gefragt, und der Platz bei der Hollywood Division war ihr sicher.
    Bosch zeigte ihr die Fotos von Michael Allen Smiths Tattoos, und sie sah sie sich kurz an.
    »Scharfer Typ, hm?«, bemerkte sie schließlich.
    »Das kannst du laut sagen.«
    »Und das alles willst du heute Abend gemacht kriegen?«
    »Nein. Eigentlich hatte ich dabei nur an die Blitze am Hals gedacht. Und vielleicht noch den Bizeps, falls das geht.«
    »Sieht alles nach Knast aus. Nichts Raffiniertes. Nur eine Farbe. Müsste zu machen sein. Setz dich schon mal dort drüben hin und zieh dein Hemd aus.«
    Sie führte ihn zu einem Schminktisch, wo er sich neben einem Regal mit allen möglichen Hauttönungen und Pudern auf einen Hocker setzte. Auf einem höher angebrachten Bord waren Schaufensterpuppenköpfe mit Perücken

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