Vergessene Welt
Aber vielleicht verfliegt der Geruch ja, wenn das Harz ausgetrocknet
ist. Wie lange ist es schon drauf?«
Malcolm sah auf
die Uhr. »Zehn Minuten. Noch zehn, und es ist fest.«
»Ich würde den
Kleinen gern zum Nest zurückbringen.«
Donner grollte.
Sie sahen durchs Fenster in die schwarze Nacht hinaus.
»Heute ist es
dazu wahrscheinlich schon zu spät«, sagte Malcolm. Er tippte und sah den Monitor
an.
»Also … womit
haben sie sie gefüttert? Okay, von 1988 bis 1989 … bekamen die Pflanzenfresser
dreimal täglich aufgeschlossene Grünfuttermasse … und die Fleischfresser …«
Er hielt inne.
»Was haben die
Fleischfresser denn bekommen?« fragte Sarah.
»Anscheinend
einen zermahlenen Extrakt aus tierischem Protein …«
»Von welchem
Tier? Die übliche Quelle ist Truthahn oder Huhn, mit einem Antibiotikazusatz.«
»Sarah«, sagte
er. »Sie haben Schafextrakt verwendet.«
»Nein«,
erwiderte sie. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Doch, das haben
sie. Kam von einem Lieferanten, der zermahlenes Schaffleisch verwendete.«
»Du machst
Witze.«
»Leider nein.
Jetzt laß mich mal sehen, ob ich herausfinden kann –«
Ein leises
Alarmsignal ertönte. Auf der Kontrolltafel über Malcolm blinkte ein rotes
Licht. Einen Augenblick später sprang die Außenbeleuchtung des Gespanns an und
tauchte die ganze Umgebung in grelles Halogenlicht.
»Was ist denn
das?« fragte Sarah.
»Der Caravan hat
Sensoren – irgendwas hat sie aktiviert.« Malcolm ging vom Computer weg und
spähte zum Fenster hinaus. Er sah nichts als hohes Gras und die dunklen Bäume
am Rand der Lichtung. Alles war still, nichts rührte sich.
Sarah, die noch
immer mit dem Baby beschäftigt war, fragte: »Was ist los?«
»Keine Ahnung.
Ich kann nichts sehen.«
»Aber irgendwas
hat die Sensoren doch aktiviert, oder?«
»Vermutlich.«
»Wind?«
»Es geht kein
Wind«, erwiderte Malcolm.
Im Hochstand sagte Kelly: »He, schaut
mal!«
Thorne drehte
sich um. Von ihrem Standpunkt aus konnten sie bis zu der hohen Klippe im Norden
und dem Caravan-Gespann auf der grasbewachsenen Lichtung darüber sehen.
Die
Außenbeleuchtung des Gespanns war angesprungen.
Thorne nahm das
Funkgerät vom Gürtel. »Ian? Melden Sie sich.«
Ein kurzes
Knistern. »Ich bin hier, Doc.«
»Was ist los?«
»Ich weiß
nicht«, sagte Malcolm. »Die Außenbeleuchtung ist eben angegangen. Ich glaube,
die Sensoren wurden aktiviert. Aber wir können draußen nichts erkennen.«
»Die Luft kühlt
jetzt sehr schnell ab«, sagte Eddie. »Vielleicht haben Konvektionsströmungen
die Sensoren aktiviert.«
Thorne fragte:
»Ian? Ist alles in Ordnung?«
»Ja. Alles okay.
Kein Grund zur Besorgnis.«
»Ich habe mir
schon gedacht, daß wir sie zu empfindlich eingestellt haben«, sagte Eddie. »Das
ist alles.«
Levine runzelte
nur die Stirn und schwieg.
Sarah legte letzte Hand an das Baby, sie
wickelte es in eine Decke ein und schnallte es mit Stoffgurten am Tisch fest.
Dann stellte sie sich neben Malcolm und sah zum Fenster hinaus.
»Was denkst du?«
Malcolm zuckte
die Achseln. »Eddie meint, das System ist zu empfindlich eingestellt.«
»Ist es das
wirklich?«
»Ich weiß nicht.
Es wurde nie getestet.« Er suchte die Bäume am Rand der Lichtung nach Anzeichen
von Bewegung ab. Plötzlich glaubte er ein Schnauben zu hören. Es schien, als
würde es von irgendwo hinter ihm beantwortet werden. Er ging zum Fenster auf
der anderen Seite und sah dort hinaus.
Malcolm und
Sarah starrten angestrengt in die Nacht. Malcolm hielt angespannt den Atem an.
Schließlich seufzte Sarah. »Ich kann nichts sehen, Ian.«
»Nein. Ich auch
nicht.«
»Muß falscher
Alarm sein.«
Dann spürten sie
die Vibration, ein dumpfes Donnern in der Erde, das durch den Wagenboden ins
Innere des Gespanns geleitet wurde. Malcolm sah Sarah an. Sie hatte die Augen
weit aufgerissen.
Malcolm wußte,
was es war. Wieder spürten sie die Vibration, und diesmal war sie unmißverständlich.
Sarah starrte zum
Fenster hinaus. »Ian«, flüsterte sie. »Ich kann ihn sehen.«
Malcolm trat zu
ihr. Sie deutete zum Fenster hinaus auf die ersten Bäume.
»Was?«
Und dann sah er
etwa auf halber Höhe eines Baumes einen großen Kopf durchs Laubwerk brechen.
Der Kopf drehte sich langsam von einer Seite zur anderen, als würde er horchen.
Es war ein ausgewachsener Tyrannosaurus rex.
»Ian«, flüsterte
sie. »Schau – sie sind zu zweit.«
Auf der rechten
Seite sah er nun ein zweites Tier zwischen den Bäumen
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