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Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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zu guten,
ja niedlichen Tieren. Die süßen Riesen waren unschuldig an ihrem schrecklichen
Schicksal – Alvarez’ Meteor hatte es über sie gebracht. Und diese neue,
»schmalzige« Betrachtungsweise brachte Leute wie Tim hervor, die die Kehrseite
der Medaille, das andere Gesicht des Lebens, am liebsten ignorierten. Natürlich
waren einige Dinosaurier kooperative Herdentiere gewesen. Aber andere waren Jäger
gewesen – Killer von beispielloser Bösartigkeit. Für Malcolm gehörte zum wahren
Bild des Lebens in der Vergangenheit das Zusammenspiel aller Aspekte des Lebens,
des Guten und des Bösen, des Starken und des Schwachen. Es hatte wenig Sinn,
etwas anderes zu behaupten.
    Kleinen Kindern
Angst einjagen, also wirklich! Malcolm schnaubte ungehalten, während er den
Korridor entlangging.
     
    Was Malcolm jedoch wirklich Sorgen
machte, war das, was Elizabeth Gelman ihm über das Gewebefragment und vor allem
über den Anhänger gesagt hatte. Dieser Anhänger verhieß Probleme, da war er
sich ganz sicher.
    Aber er wußte
nicht, was er dagegen unternehmen sollte.
    Er bog um eine
Ecke und kam an der Vitrine mit den Clovis-Spitzen vorbei, Speerspitzen von
Frühmenschen des amerikanischen Kontinents. Vor sich sah er sein Büro. Beverly,
seine Assistentin, stand hinter ihrem Schreibtisch und ordnete Papiere. Offenbar
wollte sie gerade gehen. Sie gab ihm einige Faxe und sagte: »Ich habe in Dr.
Levines Büro eine Nachricht hinterlassen, aber er hat nicht zurückgerufen. Sie
scheinen dort gar nicht zu wissen, wo er ist.«
    »Als wenn das
was Neues wäre«, sagte Malcolm seufzend. Eine Zusammenarbeit mit Levine war
ziemlich schwierig, denn er war sehr unberechenbar und man mußte bei ihm auf
alles gefaßt sein; Malcolm hatte damals auch die Kaution bezahlt, als Levine in
seinem Ferrari verhaftet worden war. Er blätterte die Faxe durch: Konferenztermine,
Bitten um Nachdrucke … nichts Interessantes. »Okay. Danke, Beverly.«
    »Ach. Die
Fotografen waren da. Sind vor ungefähr einer Stunde fertig geworden.«
    »Was für
Fotografen?« fragte er.
    »Von der Chaos
Quarterly . Wollten Ihr Büro fotografieren.«
    »Was reden Sie
denn da?«
    »Sie waren hier,
um Ihr Büro zu fotografieren«, sagte sie. »Für eine Serie über die Arbeitsplätze
berühmter Mathematiker. Sie hatten einen Brief von Ihnen, und darin stand, daß
Sie –«
    »Einen solchen
Brief habe ich nie geschrieben«, unterbrach sie Malcolm. »Und von Chaos
Quarterly habe ich noch nie gehört.«
    Er ging in sein
Büro und sah sich um. Beverly lief mit besorgter Miene hinter ihm her.
    »Alles okay? Ist
noch alles da?«
    »Ja«, sagte er
nach einem schnellen Blick durchs Zimmer. »Scheint alles in Ordnung zu sein.«
Er zog die Schubladen seines Schreibtisches auf. Es schien nichts zu fehlen.
    »Da bin ich aber
erleichtert«, sagte Beverly, »denn –«
    Er drehte sich
um und sah zur gegenüberliegenden Wand.
    Die Karte.
    Malcolm hatte
eine große Weltkarte, auf der mit Stecknadeln alle Fundorte von »anomalen Formen«,
wie Levine das nannte, markiert waren. Bei großzügigster Zählweise – Levines
Zählweise – gab es inzwischen zwölf solcher Funde, von Rangiroa im Westen bis
Baja California und Ecuador im Osten. Für die wenigsten hatte man bislang
stichhaltige Beweise gefunden. Doch jetzt gab es eine Gewebeprobe, die die
Existenz zumindest eines »anomalen« Exemplars bestätigte, und das machte auch
die übrigen Berichte glaubhafter.
    »Haben sie auch
die Karte fotografiert?«
    »Ja, alles.
Macht das etwas?«
    Malcolm
betrachtete die Karte, versuchte, sie mit fremden Augen zu sehen. Versuchte zu
erkennen, was ein Außenseiter in ihr sehen würde. Er und Levine hatten Stunden
vor dieser Karte zugebracht, hatten über die Möglichkeit einer Vergessenen Welt
nachgedacht und versucht, sie zu lokalisieren. Inzwischen hatten sie die Suche
auf eine Kette von fünf Inseln vor der Küste von Costa Rica eingegrenzt. Levine
war überzeugt, daß es eine dieser Inseln war, und Malcolm glaubte allmählich,
daß er recht hatte. Aber diese Inseln waren auf der Karte nicht markiert …
    »Sie waren sehr
nett«, sagte Beverly. »Sehr höflich. Ausländer – Schweizer, glaube ich.«
    Malcolm nickte
und seufzte. Was soll’s, dachte er. Irgendwann mußte es ja herauskommen.
    »Ist schon gut,
Beverly.«
    »Sind Sie
sicher?«
    »Ja, alles in
Ordnung. Einen schönen Abend.«
    »Gute Nacht, Dr.
Malcolm.«
    Als er allein in
seinem Büro war, rief er Levines Nummer an. Es klingelte,

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