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Vergib uns unsere Sünden - Thriller

Titel: Vergib uns unsere Sünden - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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gerade erfahren hatte, dass sein Gehalt erhöht worden war oder dass sein Vater auf die Chemotherapie ansprach und sich auf dem Wege der Besserung befand - er konnte einen Schritt auf die Straße tun und direkt vor den Lieferwagen eines angetrunkenen Fahrers laufen oder von einen Feuerwehrwagen auf dem Weg zu einem Großbrand oder einen Krankenwagen auf dem Weg zu seiner Frau, die das Krankenhaus angerufen hatte, weil die Fruchtblase geplatzt war …
    So war das Leben. Vielleicht war das Sterben auch so.
    Miller streckte die Arme zur Zimmerdecke. Gähnte ein Mal, gähnte ein zweites Mal.
    Roth ließ sich anstecken und gähnte ebenfalls.
    Als Miller sich umdrehte und zum Schreibtisch zurückging, drang das Poltern von Schritten auf der Treppe in die Stille.
    Der diensthabende Sergeant kam zur Tür hereingestürmt, blieb eine Sekunde lang stehen, um zu Atem zu kommen. Er schaute zum Schreibtisch, wo der Telefonhörer schräg auf der Gabel lag.
    »Verdammte Scheiße!«, sagte er. »Gottverdammte Scheiße, ich komm nicht zu euch durch. Littman hat angerufen. Der Kerl ist in dem Lokal … Der Kerl ist in dem Scheißlokal …«

    Beinahe hätten Robert Miller und Albert Roth ihn über den Haufen gerannt, als sie zum Büro hinaus und die Treppe hinunterstürmten.

30
    Audrey, Nachname Forrester, deren verstorbener Mann ihr ein Schnellrestaurant namens Donovan’s an der Massachusetts Avenue hinterlassen hatte, würde diesen Morgen nicht so bald vergessen. Ganz im Gegensatz zu dem Häuflein ihrer Stammkunden. Leuten wie Gary Vogel - Überbleibsel seiner dritten Scheidung, zweiundvierzig Jahre alt, der sich immer noch mit der Sechsundzwanzigjährigen traf, mit der er im Bett lag, als seine Frau hereinplatzte; Lewis Burch, Gasheizungsinstallateur, dreiundfünfzig, dessen ältester Sohn vor aller Welt kundgetan hatte, dass er schwul war und mit einem Simon zusammenlebte und dass er sich bei keinem Thanksgiving, Weihnachten, Geburtstag oder Ostern mehr blicken lassen würde, sollte die Familie das nicht akzeptieren; Jennifer Mayhew, siebenunddreißig, die seit einer Woche im neuen Job war, jede Minute davon genossen hatte und nicht verstehen konnte, warum sie sich so lange vor einem Wechsel gefürchtet hatte, und die heute Abend mit einem tollen Typen zum Essen verabredet war - okay, sie kannte ihn aus der U-Bahn, aber sie waren viele Morgen zusammen gefahren, und er schien es wirklich ehrlich zu meinen, und sie fühlte, dass ihr Leben endlich die Kurve kriegte; Maurice Froom, der es fertiggebracht hatte, auch nach sechsundvierzig Jahren noch nicht zum Morry geworden zu sein, und der auf seine Weise eine kleine Berühmtheit war, hatte er doch im Lauf der letzten zehn Jahre über zweihundertdreißig Werbespots im Radio seine Stimme geliehen … Solche Leute. Normale Leute. Leute mit Ehefrauen und Ehemännern und
Kindern, mit Katzen, Hunden und Hypothekenzahlungen, Leute, die nicht in die dunklen Randgebiete geraten waren und nicht machtlos zusehen mussten, wie es mit ihrem Leben unaufhaltsam bergab ging. Die dunklen Bereiche des Lebens, in denen Leute wie Al Roth und Robert Miller Tag für Tag ihre Arbeit tun mussten.
    Allen außer Audrey Forrester blieben diese Bereiche an diesem Donnerstagmorgen verborgen; um zwanzig Minuten nach acht trat an der Massachusetts Avenue ein Mann über die Schwelle von Donovan’s Diner und brachte ein bisschen Dunkelheit mit herein. Er wurde sogleich von Audrey erkannt, und noch im selben Moment legte sie ein Lächeln auf ihr Gesicht, mit dem sie seine Gegenwart zur Kenntnis nahm, bevor sie sich am Tresen zu schaffen machte, einen offenbar verwaisten Kaffeebecher nachfüllte, und der Neuankömmling lächelte in sich hinein, weil er womöglich besser als jeder andere wusste, dass etwas passieren würde.
    Sein Name war John, wie Audrey den beiden Detectives gesagt hatte, und John nahm die Leute an der Bar in Augenschein - Gary Vogel, Lewis Burch, Jennifer Mayhew, Maurice Froom und andere, deren Namen er nicht kannte, nie erfahren würde, gar nicht erfahren wollte.
    Und wenn jemand seinen Blick erwiderte, sah er nichts weiter als einen elegant gekleideten Mann mittleren Alters, vielleicht Ende vierzig - einen Mann, dessen genaues Alter nicht ganz leicht zu schätzen war. Er sah den dunklen Anzug, das blaue Hemd, die braune Lederaktentasche, die er bei sich trug, den über den Unterarm gelegten Mantel. Er sah das kragenlange, ergrauende Haar, das Gesicht -vielleicht attraktiv, vielleicht auch nicht,

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