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Vergib uns unsere Sünden - Thriller

Titel: Vergib uns unsere Sünden - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Takeouts, Eat-ins, Coffee to go, Triple Shot, Half and Half, Sweet’n’ Low. Geplauder und Gewitzel am frühen Morgen - und dann kam er. Vielleicht. Er kam herein, sie fühlte, was sie
fühlte, vielleicht Unruhe, vielleicht sogar Furcht, und verriet sich vielleicht durch irgendetwas in ihrer Miene. Sie hatte Besuch von der Polizei gehabt. Zwei Detectives, die mit ihr geredet hatten, und nach ihnen waren andere Leute gekommen und hatten unter dem Bartresen einen Summer installiert, und vielleicht war etwas in ihren Augen - trotz des fröhlichen Lächelns, ihrer lockeren Art -, das er so deutlich sehen konnte wie das helle Tageslicht, denn etwas an diesem Mann war anders, eigenartig, sonderbar, und es ließ die Cops daran zweifeln, dass sie je Gelegenheit bekommen würden, mit ihm zu reden …
    Sie wusste es nicht. Wollte es nicht wissen. Aber er würde sie auf den ersten Blick durchschauen und ihr womöglich gar keine Gelegenheit geben, auf den Knopf zu drücken, und wenn sie sich dann nicht traute, der Polizei zu sagen, dass er da gewesen war, und wenn er gemerkt hatte, dass sie ihn verraten wollte, kam er womöglich irgendwann wieder, um sie …
    Miller wollte nicht darüber nachdenken, was so einer mit Audrey anstellen konnte.
    Um zwanzig nach sieben klingelte das Telefon. Roth riss es vom Schreibtisch. »Ja?«, bellte er, aber das Funkeln in seinen Augen war gleich wieder erloschen. »Scheiße …«, sagte er und ließ den Hörer geräuschvoll auf die Gabel fallen. »Da wollte einer das andere Büro«, sagte er.
    Für Miller gab es kaum etwas Schlimmeres, als warten zu müssen. Die Kombination aus Langeweile und Ungeduld, zwei Gefühle, die im heftigen Widerstreit standen und zu der Überzeugung führten, dass alles, was hinter einer Tür, den eisernen Schiebetoren eines Lagerhauses, lauern mochte, was immer man sich in seiner Phantasie ausmalte, dem ungewissen und substanzlosen Einerlei des Wartens vorzuziehen war. Und wenn dann etwas passierte, war es wie ein Adrenalinstoß; von so einem Gefühl konnten sich nur Menschen, die
im Notdienst arbeiteten - Feuerwehrleute, Rettungssanitäter, Krankenschwestern in Unfall- und Intensivstationen -, eine Vorstellung machen. Stunden der Ruhe, Untätigkeit, der totalen Stagnation, und plötzlich bricht das Chaos los - Sirenen, flackernde Lichtbalken, schreiend durcheinanderlaufende Menschen, Krankenwagen, Feuerwehrwagen, aufgeschnittene Pulsadern, Stürze aus Fenstern oder von Brücken, Massenkarambolagen auf dem Highway, der Gestank nach verbranntem Gummi, explodierende Gastanks, Grünholzfrakturen, aus offenen Wunden hervorstehende Knochen, bei deren Anblick Menschen in schrille Entsetzensschreie ausbrachen. Und keine Sekunde Zeit, auch nur daran zu denken, was hätte passieren können oder was noch passieren könnte, weil jedes Gran Adrenalin, jeder Nerv und jede Sehne, jeder Impuls, den das Gehirn zu generieren vermag, den Körper vorwärtstreibt, gegen den natürlichen Instinkt, sich zurückzuziehen, wegzulaufen, sich zu verstecken, sich der Illusion hinzugeben, die Welt vor Augen und die Welt, in der man lebt, seien nicht ein und dieselbe …
    Miller sah auf die Uhr: drei Minuten nach acht. Er erhob sich aus seinem Sessel, ging zwischen dem Fenster und der Tür auf und ab. »Und wenn wir hinterher wieder mit leeren Händen dastehen, was dann?«, fragte er mehr sich selbst als Roth.
    »Weil er nichts sagen kann, oder weil er nicht auftaucht?«
    »Such’s dir aus«, erwiderte Miller. »Er taucht auf, wir reden mit ihm, und er weiß nichts, oder er taucht gar nicht erst auf. Die ganze Geschichte ist die nächste Sackgasse, und wir stehen wieder am Anfang. Was dann?«
    »Himmel, was weiß ich? Lieber nicht daran denken. Im Moment ist er unsere einzige solide Spur.«
    »Solide wie Luft.«
    »Klar, das weiß ich doch … Verflucht, du weißt, was ich meine. Vielleicht ist der Kerl einer …«

    »Oder er ist keiner.«
    Durchs Fenster sah Miller die Stadt an die Arbeit gehen. Der Verkehr wurde stärker, Menschen bevölkerten die Gehsteige, jeder dort unten ging in der festen Überzeugung seines Weges, dass nichts, was anderen zustoßen kann, einem selbst zustößt. Er fragte sich, ob es für den Tod eines Menschen einen festen Zeitpunkt gab. Ob Tag, Stunde, Minute, Sekunde festgelegt waren … Wenn solche Dinge vorherbestimmt waren, dann konnte der Mann da drüben an der Kreuzung, der vielleicht auf die Untersuchungsergebnisse seiner schwangeren Frau wartete oder der

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