Vergib uns unsere Sünden - Thriller
haben uns die Telefonnummer Ihres Trainers gegeben. Und der hat gesagt, wir würden Sie entweder
zu Hause, in der Bibliothek oder hier finden. Wir haben’s in der Bibliothek probiert und dann hier. Ihre Privatadresse wollte er uns nicht geben, zuerst sollten wir es in der Bibliothek oder im Wellness-Club versuchen.«
»Und warum? Ist etwas passiert? Ein Unfall oder so etwas?«
Miller lächelte. »Nein«, sagte er. »So etwas nicht.« Er schaute sich unter den wenigen Leuten in der Kantine um. Die schienen mit sich selbst beschäftigt zu sein. »Können wir uns setzen?«
»Sicher«, sagte Sarah Bishop. »Fühlen Sie sich wie zu Hause.«
Roth holte sich von einem anderen Tisch einen Stuhl.
»Wir wollten Sie etwas fragen«, sagte Miller. »Ich habe gehört, dass Sie jeden zweiten Samstag auf der Eisbahn im Brentwood Park trainieren.«
Sarah nickte. Sie schraubte den Deckel von einer Mineralwasserflasche und trank einen Schluck.
»Alle vierzehn Tage besuche ich meinen Vater. Er und meine Mom haben sich getrennt. Auf Probe, verstehen Sie? Da kriegt man doch die Seuche. Ich meine, Himmel, die sind jetzt seit gefühlten hundertfünfzig Jahren zusammen, die finden nichts Besseres mehr als sich selbst. Irgendwie benehmen die sich wie die Kleinkinder.«
»Das tut mir leid«, sagte Miller. »Es muss schwer für Sie sein.«
Sarah lachte. »Manchmal frage ich mich, ob ich nicht vielleicht von einem anderen Planeten komme. Ach, was sind wir doch verschieden. Ich meine, also wirklich … Eine Trennung auf Probe, du lieber Gott! Was soll der Scheiß?«
»Okay, Sie trainieren hier also jeden zweiten Samstag.«
»Richtig, und in den meisten Wochen auch noch montagund dienstagabends.«
»Und Sie gehören zum US-Olympiateam?«
Sarah lachte, verschluckte sich beinahe an einem Mundvoll Wasser. »Mein Gott, nein, wo haben Sie denn das her? Hat Per Ihnen das erzählt? Gott, nein, ich bin nicht im Olympiateam. Ich wäre gerne im Olympiateam, aber haben Sie eine Ahnung, was es heißt, auf dem Niveau zu laufen? Mann, Sie glauben ja nicht, wie gut man da sein muss … und außerdem werde ich langsam zu alt dafür.«
»Zu alt?«, fragte Miller etwas ungläubig.
»Ich bin zweiundzwanzig«, sagte sie. »Glauben Sie mir, für olympisches Eislaufen ist das ziemlich alt. Wie es im Moment aussieht, werde ich wohl Trainerin oder so etwas, aber noch stehe ich fast jeden Tag auf dem Eis. Man muss schon verrückt danach sein, um sich sein Leben davon diktieren zu lassen.«
»Ich wollte Sie etwas zum elften November fragen«, sagte Miller. »Letzten Samstag.«
»Worum geht es?«
»Darum, wer in Brentwood war, als Sie trainiert haben.«
»Ich habe letzten Samstag nicht trainiert.«
Miller runzelte die Stirn. »Sie haben nicht trainiert?«
»Nein, letzten Samstag nicht. Letzten Samstag sind wir alle drei zu dieser Veranstaltung zum Veterans Day gefahren. Dort, wo meine Mutter lebt, gab es einen Gedenkgottesdienst, und da mussten wir hin. Mein Großvater, der Vater meiner Mom, ist in Vietnam gefallen, als meine Mutter ungefähr dreizehn oder vierzehn Jahre alt war, deshalb gehen wir jedes Jahr in die Kirche und verbringen den Tag mit meiner Großmutter, und dann hocken wir alle zusammen und gucken alte Fotos von ihm an und so was. Eine ziemlich trostlose Veranstaltung. Meine Großmutter ist schon sehr alt. Sie hat nicht wieder geheiratet und sitzt den ganzen Tag da und erzählt von ihrem Mann und wer weiß nicht was,’n bisschen verrückt ist sie wohl auch. Sie verstehen, wie ich das meine?«
Millers Nase war frei. Er konnte Roth neben sich riechen.
Robey hatte gelogen. Schlicht und einfach gelogen. Wo er gewesen sein wollte, war er nicht gewesen. Er hatte behauptet, zur Zeit des Mordes an Catherine Sheridan dort gewesen zu sein, und diese Behauptung war falsch.
»Da sind Sie ganz sicher?«, fragte Miller.
»Wie? Dass meine Großmutter verrückt ist?«
Miller gab sich Mühe, die Fassung zu bewahren, gelassen zu bleiben. »Nein, dass Sie am Samstag bei ihr waren.«
»Natürlich bin ich sicher. Es war Veterans Day, oder? Letzten Samstag. Ich habe den ganzen Tag mit Mom und Dad verbracht, weil … meine Großmutter darf von dieser Trennungsgeschichte nichts wissen, verstehen Sie? Sie haben ihr nichts davon erzählt, weil … sonst kriegt die noch’nen Herzschlag oder so was. Jedenfalls waren wir den ganzen Tag zusammen. Vormittags in der Kirche, und danach im Haus meiner Großmutter in Manassas. Wir sind erst um acht Uhr abends
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