Vergib uns unsere Sünden - Thriller
Täter?«
»Irgendwie schon. Aber ich bin nicht sicher, dass er der Richtige ist.«
»Na ja, er ist ein Name. Ein Gesicht. Etwas, das ihr vor Augen habt. Und die Opfer … sind eben Opfer, oder? Die erzählen euch nichts mehr, was ihr nicht schon wisst. Und McCullough? Der schwirrt weiß Gott wo herum, aber ihr habt ihn nicht. Ihr habt John Robey. Wenigstens redet er mit euch. Er hat euch vielleicht nicht viel zu erzählen, aber wenigstens redet er. Bleibt an ihm dran, das ist mein Rat. Bleibt an Robey dran, und seht, was er für euch hat.«
Miller wandte den Blick ab. Er wollte Young von der Haarbürste erzählen, die er in der Innentasche seines Jacketts spürte, und war nicht sicher, was er getan hätte, wenn er mit dem Mann allein gewesen wäre. Aber Roth war dabei. Was hätte er sagen sollen? Er hatte sich in eine unerklärbare, beinahe unerträgliche Lage gebracht, und hoffte deshalb
inständig, dass Robey ihn nochmal in seine Wohnung ließ und ihm Gelegenheit gab, das Ding an seinen Platz zurückzulegen.
Roth sah auf die Uhr. »Er kommt bald aus dem Unterricht«, sagte er.
Miller erhob sich. Im selben Moment erkannte er etwas in Youngs Ausdruck - vielleicht Erleichterung darüber, dass sie gingen, die Hoffnung auf Ruhe, Erholung von etwas, das über seine Kräfte gegangen war, aber auch eine Sehnsucht.
Miller brachte Young nicht in die Verlegenheit eines unbeholfenen Händedrucks, stattdessen trat er vor den Mann und griff fest nach seinen Schultern. »Sie haben uns sehr geholfen«, sagte er. »Ich komme wieder und erzähle Ihnen, was passiert ist.«
»Bevor ich es in den merkwürdigen Zeitungen lesen muss, okay?«, sagte Young. Er versuchte zu lächeln, aber war zu erschöpft.
Bevor sie das Haus verließen, dankten sie Carol Inchman für ihre Unterstützung und bestätigten, dass Young ihnen eine große Hilfe war.
»Ich glaube nicht, dass er noch sehr lange durchhält«, sagte sie. »Unglaublich, so ein Mann. Vor ein paar Jahren hat er seine Frau verloren, und …« Sie schüttelte den Kopf. »Sie wollen es nicht wissen, und ich sollte es Ihnen lieber nicht erzählen.«
Miller reichte ihr die Hand. »Wir müssen gehen«, sagte er in hörbar gerührtem Tonfall. »Wir müssen jemanden erwischen, bevor er uns durch die Lappen geht.«
Carol Inchman gab erst Miller, dann Roth die Hand und ging zurück in ihr Büro.
Keiner der Detectives sagte etwas, bevor sie beim Auto waren. Dann sagte Miller: »Zurück ins College. Vielleicht schaffen wir es, bevor er Feierabend macht.«
Unvermeidlichkeit.
Ich will euch etwas über Unvermeidlichkeit erzählen.
Tod und Steuern, richtig? Die sind unvermeidlich.
Ich will euch noch etwas erzählen, was unvermeidlich ist. Die Liebe. Unvermeidlich wie die Schwerkraft.
Finanzämter kann man hinters Licht führen. Und manche Menschen schlagen dem Tod ein Schnippchen, zögern ihn zumindest hinaus. Liest man doch ständig in der Zeitung. Mann überlistet den Tod oder so ähnlich.
Aber man zeige mir den Menschen, der nie jemanden geliebt hat.
Ich spreche nicht von der Lust, die einen so verrückt nach jemandem macht, dass es schmerzt. Auch nicht von Bruder-, Mutter-, Vater- oder Onkelliebe. Oder von Bewunderung für jemanden oder Verehrung oder Sorge um jemanden oder liebevolle Gefühle, wie man sie nie zuvor für jemanden gehegt hat …
Ich spreche von Liebe.
Liebe, die so stark ist, dass man sie nicht sehen, nicht fühlen, nicht spüren oder schmecken kann, nicht hören, nicht ausdrücken, weder definieren noch beschreiben noch skizzieren kann, nicht erklären oder rationalisieren oder rechtfertigen und sich schon gar nicht bei einer Flasche Bourbon und einem Päckchen Luckies ausreden kann …
Liebe, die so stark ist, dass man nicht merkt, wie fest sie einen hält, bis man sich bewegen will … und feststellen muss, dass man es nicht kann.
Man ist wie gelähmt, und es wird einem klar, dass das, was man gerade erlebt, ebenso zu einem gehört wie alles andere.
Es ist du. Du bist es .
Und du bist erledigt.
Man hat es schon so lange gefühlt, es ist so sehr Teil von einem geworden, dass man, was auch passiert, was der geliebte Mensch auch tut, es als geradezu inhuman empfindet, ihn nicht bis ans Ende seiner Tage zu lieben.
Das ist Liebe, wie ich sie für Catherine Sheridan empfunden habe.
Gibt es noch etwas, das unvermeidlich ist? Dass Robert Miller mich finden wird. Er wird mich finden, weil ich es will. Weil wir schließlich zu dem Schluss gekommen sind, dass
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