Vergib uns unsere Sünden - Thriller
in einen anderen Bezirk. Heute sind sie nicht mehr so einfühlsam. Heute heißt es, friss oder stirb. Es war also einer unserer Leute nach Port Orchard versetzt worden, wenn ich mich recht entsinne, und an seiner Stelle bekamen wir McCullough. Eigentlich hätten wir gar nicht McCullough kriegen sollen, sondern einen anderen. Den Namen weiß ich nicht mehr, irgendwas Polnisches, lauter Z und K, aber bei dem kam was dazwischen, und für
ihn kam McCullough. Woher er kam, weiß ich nicht mehr. Vielleicht von der Sitte oder vom Drogendezernat. Einwandfreie Akte, da ragte nichts raus, einer von der soliden Sorte. Fügte sich gleich gut ein, ohne Wellen zu schlagen. Und hat ordentlich an seinem Festnahmen-Konto gearbeitet, ein paar vernünftige Razzien veranstaltet, und durch den V-Mann, den er sich aufgebaut hatte, ist er auch an interessante Namen gekommen.« Young grimassierte fröhlich. »Ihr wisst ja wohl, wie so was läuft, oder? Ja, McCullough konnte mit diesem Darryl King. In dem September hat er uns den größten Kokaincoup des Jahrzehnts beschert. Ich erinnere mich so genau, weil es keine sieben Tage nach dem elften September war, und kurz vor der Revierbewertung. Wir konnten beim Chef ein paar Pluspunkte sammeln. Alle waren glücklich und aus dem Häuschen und haben hurra geschrien, so ein Coup war das - fast drei Kilo. Ein ordentlicher Batzen.
Tja, und dann war das Zeug plötzlich aus der Asservatenkammer verschwunden. Einfach weg, und alle haben wir Bauklötze gestaunt, wie locker McCullough die Sache nahm. Es schien ihn nicht im Geringsten aus dem Konzept zu bringen. Wir sollen es nicht so tragisch nehmen, hat er gesagt, es würde weitere Razzien geben. Die internen Ermittler haben sich eingeschaltet, den ganzen Laden auf den Kopf gestellt, und dann hat sich alles wieder beruhigt. Die seltsamste Geschichte, die ich je erlebt habe. Jedenfalls haben sie die Sache auf sich beruhen lassen, keine Fragen mehr gestellt. Und dann ging das mit McCullough los, dass er ständig zu spät kam, manchmal erst zwei, drei Stunden nach Dienstbeginn. Auf einmal fing er mit so einem Quatsch an, und ich musste ihn zur Rede stellen und fragen, was er sich dabei denkt. Warum er sich das Leben so zur Qual machen muss, dass er es den anderen auch zur Qual macht. Ich bin sehr deutlich geworden. Entweder er reißt sich zusammen oder er packt seine Sachen, hab ich zu ihm gesagt, und da ist er mir mit dieser
Lagerhausgeschichte gekommen, diesem Crack-House-Gig, den er mit seinem V-Mann ausgeheckt hatte. Es klang nach der größten Sache seit der French Connection. Ich war aufgeregt wie vor der Entjungferung, und alle warteten gespannt wie die Flitzebögen auf McCullough und seinen großen Coup. Am Ende ist dann alles in die Hose gegangen …«
Young verstummte schwer atmend. Roth wollte vom Bett weg auf ihn zugehen, aber Young hob abwehrend die Hand. Aus dem Dunkel neben seinem Sessel brachte er eine Sauerstoffmaske zum Vorschein. Er stülpte sie sich über das Gesicht und sog das Gas gierig in sich hinein. Er schloss die Augen und schien ruhiger zu werden. Nach ein paar Atemzügen ließ er die Maske sinken, hustete einen Klumpen Schleim herauf in den Rachen und spuckte ihn in eine Nierenschale aus Presspappe.
»Bitte um Verzeihung für das Melodrama«, sagte er. Seine Stimme krächzte, verhakte sich im Rachen. »Früher oder später muss ich sterben, wissen Sie? Aber ein paar Gigs hab ich vielleicht noch, deshalb nehme ich den Umweg. Ich habe nie geraucht und bin mit fünf bis zehn Drinks im Jahr ausgekommen. Hab meine Arbeit getan, bin meiner Frau treu geblieben, hab meine Kinder ordentlich erzogen, auch wenn einer von ihnen schwul geworden ist, meine Güte, zu neunzig Prozent schätzungsweise hab ich alles richtig gemacht, und das hab ich jetzt davon.« Er hob die Maske vors Gesicht und nahm noch ein paar tiefe Züge, bevor er sich wieder Roth und Miller zuwandte.
»Ich war Revierchef, hatte Papierkram zu erledigen und Repräsentationspflichten, musste im Dienst verstorbene Kollegen beerdigen, hatte Überstundenbudgets, es wimmelte von internen Ermittlern, die ganze Scheiße eben, die in so einem Laden anfällt. Ich habe einen meiner Jungen nach Port Orchard gehen lassen und mir dafür diesen McCullough eingehandelt. Er hat etwas Lärm gemacht, ein schwarzer Informant
kam uns Leben, die Razzia war ein Schlag ins Wasser, aber nach ein paar Tagen war alles vorbei. Wissen Sie, da draußen ging alles so rasend schnell. Und wenn die
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