Vergib uns unsere Sünden - Thriller
stand.
Lassiter traf ein, zusammen mit Staatsanwältin Cohen und Chris Metz, der den Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung in der Hand hielt - ein Durchsuchungsbeschluss, den nun niemand mehr brauchte. Robeys Wohnung war jetzt ein Tatort; in Robeys Wohnung wimmelte es von Fotografen und Kriminaltechnikern, und wenn die Spurensicherung auftauchte, dann war das so, als wäre das Zweite Revier an die Ecke New Jersey und Q Street umgezogen.
»So eine Scheiße«, sagte Lassiter immer wieder, und das Kratzen in seiner Stimme sprach von nächtlichen Telefongesprächen, Fragen, auf die es noch keine Antworten gab, Auseinandersetzungen, Kritik, Drohungen und Anspielungen auf das, was aus seiner Karriere werden würde, wenn er nicht …
Miller konnte nicht sprechen. Er schaute zu, wie Carl Olivers Leichnam fotografiert wurde. Er schaute zu, wie sein Kollege auf eine Bahre gelegt und von den Sanitätern ungeschickt die Treppe hinunter zur Straße geschafft wurde. Marilyn Hemmings traf ein, lächelte ihm zu und hob die Hand. Miller erwiderte ihren Gruß. Eine kurze Begegnung; er sah sie etwas unterschreiben, dann ging sie wieder.
Ein Fleck klebrigen Bluts war alles, was zurückblieb. Wenig
Blut. Es war Oliver aus dem Mund gelaufen. Eine Austrittwunde hatte man an seinem Schädel nicht gefunden. Er war zweiundvierzig Jahre alt geworden. Er hatte die Musik von R.E.M. gemocht. Seine Zigaretten hatte er sich selbst gedreht.
Irgendwann kauerte Miller auf dem Boden, die Knie mit den Händen umfasst. Al Roth kam aus der Wohnung und beugte sich über ihn. Nach etwa einer Minute sagte er: »Wenn du so weit bist … Wenn du so weit bist, komm mal mit rein und sieh dir das an.« Und dann ging er wieder hinein, und Miller blieb allein auf dem äußeren Flur zurück, die Stirn auf den Knien, das Herz hoch oben im Hals.
Als Miller sich wieder erhob, war es kurz vor halb neun. Er ging in die Wohnung und wartete geduldig auf den Ersten, den er kannte. Es war Lassiter, und auch wenn Lassiter wie ein geprügelter Hund aussah, auch wenn Lassiter nicht besonders viel zu sagen hatte, konnte Miller ihm am Gesicht ablesen, dass es in dieser Wohnung etwas zu sehen gab, was seine Ansicht über den Fall, den es zu lösen galt, radikal geändert hatte.
Es war noch dasselbe Zimmer, in dem Miller sich mit Robey unterhalten hatte. Der dunkle Teppich, das Sofa vor der rechten Wand, das Fenster auf der linken Seite mit Ausblick auf den Hinterhof, die pergamentfarbenen Wände, die Federzeichnungen in ihren Edelstahlrahmen.
»Hinten«, sagte Lassiter. »Sehen Sie sich mal an, was wir hinten gefunden haben.«
Nanci Cohen war da, und Al Roth und Chris Metz. Metz verließ den Raum, als Miller und Lassiter hereinkamen. Er wirkte fassungslos und erschöpft.
Miller sagte lange Zeit nichts. Das Fenster zur Straße war hinter einer Wand verschwunden, unter der ein breiter Tisch stand. Auf dem Tisch standen Desktop-Computer, ein Polizeifunkempfänger, zwei Laptop-Computer, ein Stapel Aktendeckel,
andere lagen über den Fußboden verstreut. Von der Tischkante hingen ein paar lose Kabel herunter.
»Wir vermuten, dass noch ein Laptop dastand«, sagte Roth. »Drüben in der Küche ist ein Fenster. Wer immer hier in der Wohnung war, ist auf diesem Weg verschwunden. Es gibt eine Feuertreppe …«Er verstummte, als er merkte, dass Miller ihm gar nicht zuhörte.
Die Wand war direkt vor ihnen.
Die Wand forderte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
Die Wand war gute vier Meter breit, vielleicht zweieinhalb Meter hoch, und neben den Karten und Skizzen, neben einem Durcheinander aus bunten, Straßen, Kreuzungen und andere Orte markierenden Stecknadelköpfen, waren es die Bilder, die alles sagten, was es zu sagen gab. Manche waren Fotografien, andere Polaroids, wieder andere aus Zeitungen oder Magazinen ausgeschnitten.
Miller hatte keine Mühe, Ann Rayner zu finden. Und gleich darauf entdeckte er die Lee und die Mosley. Catherine Sheridan hatte ihre eigene kleine Bildersammlung in der äußersten rechten Ecke, ihren eigenen Gedenkschrein - acht oder zehn Fotos, an verschiedenen Stationen ihres Lebens aufgenommen. Darunter ein Duplikat einer der unter Catherine Sheridans Bett gefundenen Fotografien.
Miller drehte sich um und schaute Lassiter an. Lassiter war nicht weiter als einen oder anderthalb Meter von ihm entfernt. Es war eine Mischung aus Ungläubigkeit und Gewissheit, die sich auf seinem Gesicht spiegelte.
»Robert«, sagte Roth.
Miller drehte sich um.
Roth
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