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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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Kriegshelden und Persönlichkeiten. Pulli genoss ungeheuren Respekt im Milieu, und mit der Zeit sammelte er auch ein anständiges Vermögen an.
    Sein Großvater Sverre Lorents, der zeit seines Lebens als Zimmermann geschuftet hatte, riet Pulli, in Immobilien zu investieren. Pulli nahm den Ratschlag an und stieg zu einem günstigen Zeitpunkt in den Markt ein. Das Geld, das er verdiente, investierte er in größere Projekte, die ihm noch mehr finanzielle Mittel verschafften. Schon bald brauchte er seine Eintreibertätigkeit nicht mehr, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ganz davon abgesehen war es unvorteilhaft für seine Geschäfte, mit mindestens einem Bein im kriminellen Milieu zu stehen. 2004 legte er schließlich seinen Schlagring endgültig ins Regal oder genauer gesagt: Er hängte ihn an die Wand. Danach lernte er Veronica Nansen kennen. Zwei Jahre später heirateten sie, ein Anlass, der für die Regenbogenpresse zum wichtigsten Ereignis des Jahres geriet.
    Veronica Nansen ist inzwischen Geschäftsführerin von Nansen Models AS – einer Firma, die Mädchen und Models für diverse glamouröse Unternehmungen stellt. Davor hat sie selbst als profiliertes Model ihren Lebensunterhalt verdient. Überdies war sie Moderatorin einer Realityshow, in der junge, klapperdürre und höchst ordinäre Mädchen die Chance bekommen, von ihrem Aussehen zu leben.
    Normalerweise ruft Henning sonntags niemanden an, aber unter den gegebenen Umständen hat er keine Skrupel, Veronica Nansen am späteren Vormittag zu stören. Nach etlichen Freizeichen ertönt eine verschlafene Frauenstimme.
    »Entschuldigen Sie die Störung. Mein Name ist Henning Juul.«
    Henning trommelt ungeduldig mit den Fingern der freien Hand auf den Tisch, während er auf eine Antwort wartet. »Ich weiß nicht, ob Tore …«
    »Ich habe gestern mit Tore gesprochen«, fällt Veronica Nansen ihm ins Wort. »Ich weiß, wer Sie sind.«
    Ihre Worte lösen ein diffuses Schuldgefühl in ihm aus, aber er schüttelt es ab.
    »Dann wissen Sie auch, dass ich …«
    »Ja, ich weiß, dass Sie Tore falsche Hoffnungen machen. Das ist das Letzte, was er momentan gebrauchen kann.«
    »Falsche …«
    »Meinetwegen soll er der romantischen Vorstellung nachhängen, dass ihn irgendein Ritter außerhalb der Gefängnismauern befreien wird, aber ich habe nicht viel übrig für solche wie Sie.«
    »Solche wie mich? Sie wissen doch gar nicht, was ich …«
    »O doch, das weiß ich. Die großen Rätsel ziehen Sie an, ist es nicht so? Probleme, die sonst niemand lösen kann. Und dann treten Sie als der große Retter auf?«
    »Überhaupt ni…«
    »Tore kann das jetzt nicht brauchen.«
    Henning presst die Handfläche gereizt auf die Tischplatte. »Und was braucht er Ihrer Meinung nach?«
    »Er muss sich auf die Verhandlung vorbereiten oder zumindest versuchen herauszufinden, wie er seine Strafe am besten nutzen kann, statt …«
    Veronica Nansen bringt ihren Satz nicht zu Ende.
    »Dann ist er also schuldig?«
    »Habe ich das gesagt?«
    »Nein, aber …«
    Sie fährt ihm mit einem verächtlichen Schnaufen dazwischen. »Wüssten Sie, was ich weiß, hätten Sie Tores Auftrag abgelehnt. Sie hätten ihm damit wirklich einen Dienst erwiesen. Er hat so schon genug durchgemacht.«
    Henning denkt schnell. »Haben Sie schon einmal im Gefängnis gesessen?«, fragt er und kommt ihr zuvor, als er hört, dass sie zu einer Antwort ansetzt. »Waren Sie schon mal in einem Raum eingesperrt, der nicht viel größer ist als ein Kellerverschlag? Und jeden Abend um zwanzig vor neun wird die Tür abgeschlossen, und Sie haben keine Möglichkeit, vor dem nächsten Morgen um sieben Uhr wieder da rauszukommen?«
    Ihr Seufzer ist schwerer und luftloser, als er erwartet hat.
    »Nein, aber …«
    »Da ist Hoffnung das Einzige, was einen noch aufrecht erhält«, fährt er fort. »Wenn Tore auch nur den kleinsten Hoffnungsschimmer hat, dass ich ihm helfen kann, dann finde ich – bei allem Respekt –, dass Sie das nicht konterkarieren sollten.«
    Grenzwertig pathetisch, aber es wirkt.
    »Ich versuche bloß, realistisch zu sein«, antwortet sie schließlich.
    »Okay, das verstehe ich, aber können wir uns nicht wenigstens über sein Anliegen unterhalten? Sie sind ja wohl diejenige, die ihn am besten kennt und möglicherweise in der Angelegenheit am besten Bescheid weiß. Und nur damit das klar ist: Ich habe mich noch überhaupt nicht entschieden, ob ich mich mit der Sache befassen werde oder nicht.«
    »Sie haben ja

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