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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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recht«, sagt sie nach einer längeren Pause leise. »Ich wollte nicht so abweisend sein. Es ist nur …«
    »Vergessen Sie’s«, sagt Henning. »Können wir uns treffen? Gerne noch heute, wenn möglich? Ich weiß, es ist Sonntag, aber …«
    »Können Sie in einer halben Stunde hier sein?«
    Überrascht über das plötzliche Entgegenkommen schaut Henning auf die Uhr. »Kann ich, ja.«
    11
    »Das Schlangenspiel! Bitte, bitte, biiiitte!«
    Thorleif Brenden hört die Stimme seiner Tochter aus dem Schlafzimmer, als er die Teller aus dem Küchenschrank nimmt. Gläser und Besteck warten schon auf dem Tisch, ebenso Aufschnitt, Saft und Milch. Der Backofen ist eingeschaltet. Der Topf kochendes Wasser mit den Eiern brodelt auf dem Herd, aber der Lärm aus dem Schlafzimmer übertönt selbst Marit Larsens Kinderstimme aus dem Tivoli-Radio auf der Fensterbank.
    Das Schlangenspiel, denkt Thorleif lächelnd, kommt nie aus der Mode, obwohl Elisabeth es schon so viele Jahre spielt. Erst mit Pål, dann mit Julie. Und jetzt mit allen beiden. Thorleif hört das Zischeln und das erwartungsvolle Kreischen der Kinder, die hoffen oder eben nicht hoffen, von der schleichenden Hand ihrer Mutter unter der Bettdecke gebissen zu werden. In der Regel endet das Spiel mit Tränen, weil Julie ein Knie in den Bauch oder einen ungestümen Finger ins Auge bekommt. Aber bis zum nächsten Mal ist alles wieder vergessen.
    Thorleif bückt sich und sieht, dass die Brötchen oben goldbraun sind. Er schaltet den Ofen aus und nimmt sie heraus. Sein Magen knurrt. Auch die Eier sind gleich fertig. Er geht durch das Wohnzimmer ins Schlafzimmer. Zzzzzzz ! Unterdrücktes Lachen droht jeden Moment auszubrechen.
    »Frühstück ist fertig«, sagt Thorleif, gerade als die Schlange zum Angriff übergeht. Panisch kreischendes Gekicher schallt durchs Zimmer.
    »Frühstück ist fertig«, wiederholt er, diesmal lauter.
    »Noch ein bisschen!«, ruft Pål.
    »Die Eier werden kalt.«
    »Noch zwei Minuten! Bitteeee!«
    Thorleif lächelt und schüttelt den Kopf, während er vergeblich in dem Daunenmeer Elisabeths Blick sucht.
    Zzzzzzzzz !
    Weitere begeisterte Schreie erfüllen den Raum.
    Marit Larsen ist längst fertig, als Thorleif die Brötchen aufschneidet und in einen braunen geflochtenen Weidenkorb legt.
    »Riech mal, Papa, ich hab mir die Hände gewaschen.«
    Julie kommt in die Küche marschiert, setzt sich auf ihren Tripp-Trapp-Stuhl und streckt ihm die Hände entgegen. Auf ihren Wangen glänzen noch ein paar Tränen. Er stellt den Brötchenkorb auf den Tisch und schnuppert.
    »Super, mein tüchtiges Mädchen.«
    Ein Lächeln zieht über ihr Gesicht. Auf der anderen Tischseite stiehlt sich Enttäuschung in Påls Augen.
    »Mich lobst du nie, wenn ich mir die Hände wasche.«
    »Weil du acht Jahre alt bist, Pål. Du weißt ja schon lange, dass du dir vor dem Essen deine Hände waschen sollst. Apropos, hast du sie dir gewaschen?«
    Pål antwortet nicht. Sein Schmollmund verzieht sich zu einem frechen Grinsen.
    »Dann aber mal ganz flott!«
    Pål steht auf und läuft ins Bad. Er streift Elisabeth, die gerade aus der anderen Richtung kommt.
    »Und trockne dir die Hände ordentlich ab!«, ruft Thorleif ihm nach. »Und das Handtuch wieder aufhängen, sei so gut!«
    Er sieht Elisabeth an. Sie hat noch ganz verschlafene Augen, aber ihr Gesicht bekommt sofort Farbe, als sie den gedeckten Frühstückstisch sieht.
    »Ach, wie schön«, sagt sie, strahlt und verschafft sich einen Überblick. »Kerzen und alles, was dazugehört.«
    Thorleif lächelt. »Was möchtest du trinken, Julie?«, fragt er.
    Pål kommt in die Küche zurückgestürmt und setzt sich auf seinen Platz. Seine Hände sind tropfnass.
    »Milch.«
    Thorleif nimmt Julies Glas und will ihr einschenken.
    »Saft«, sagt sie. »Ich will Saft.«
    »Sicher?«
    Julie nickt energisch.
    Pål lehnt sich über den Tisch und schnappt sich ein halbes Brötchen, dann nimmt er das Messer und versucht, das Ei zu köpfen. »Wer hat die Eier gekocht?«
    »Papa«, antwortet Julie.
    Pål stöhnt. »Mama kocht die besten Eier.«
    »Na klar«, antwortet Thorleif. »Mama ist in allem die Beste.«
    »Nicht beim Rehe entdecken«, sagt Julie.
    »Nein, beim Rehe entdecken nicht«, stimmt Elisabeth zu.
    »Neulich haben wir fünfundzwanzig Rehe neben der Straße gesehen, als wir von Kopenhagen nach Hause gefahren sind. Fünfundzwanzig!«
    »Ist das wahr?«
    »Ganz wahr! Papa hat fast alle als Erster entdeckt.«
    »Stimmt das, Papa?«
    Thorleif

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